Eine Geschichte, die bewegt und nachdenklich macht

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In seinem Roman „Geschenkt“ erzählt Daniel Glattauer eine schöne Geschichte über das Geben und Nehmen, über Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber, aber auch darüber, dass in manchen Menschen mehr steckt, als man auf den ersten Blick vermutet.
Inspiriert wurde Daniel Glattauer von einer mysteriösen Spendenserie in Braunschweig im Jahr 2011, von der er viele Details übernimmt, im Roman spielt die Geschichte jedoch in Glattauers Heimatstadt Wien.
Hauptfigur und Erzähler des Romans ist Gerold Plassek ein wenig ambitionierter Wiener Journalist Mitte 40, der sich mit einem Job bei einer Gratiszeitung über Wasser hält. Er hat keine großen Erwartungen an sein Leben, ihm geht es gut, solange sein Einkommen seinen Bierkonsum finanziert. Eines Tages bekommt Gerold einen Sohn „geschenkt“. Manuel ist bereits 14 Jahre alt, als Gerold von dessen Existenz erfährt. Manuels Mutter reist für „Ärzte ohne Grenzen“ für ein halbes Jahr nach Afrika und benötigt für ihren Sohn eine Nachmittagsbetreuung. Nun sitzen die beiden jeden Nachmittag gemeinsam in Gerolds Büro und haben sich wenig zu sagen. Gerold ist mit der Situation überfordert, für Manuel ist Gerold einfach ein langweiliger Bekannter seiner Mutter, er ahnt nicht, dass er seinem Vater gegenüber sitzt. Der triste Alltag wird unterbrochen, als bei einem Obdachlosenasyl eine anonyme Spende in Form von 20 500-Euro-Scheinen eingeht. Dem Umschlag liegt ein Ausschnitt der Gratis-Zeitung „Tag für Tag“ bei, der ausgerechnet von Gerold Plassek verfasst wurde. Als weitere Spenden folgen, die sich ebenfalls auf Gerolds Beiträge beziehen, rückt dieser ungewollt immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit. Auch Manuels Interesse und Neugierde wird geweckt. Er schafft es mit seinem Enthusiasmus Gerold aus seiner Lethargie zu wecken und zu ungewohntem Arbeitseifer zu animieren.
Die Geschichte wird aus der Sicht Gerold Plasseks erzählt. Da dieser aufgrund seiner Art nicht gerade ein Sympathieträger ist, hatte ich zunächst Probleme, mich auf die Geschichte einzulassen. Doch nicht zuletzt durch den Einfluss Manuels zeigt Gerold im Laufe der Zeit, welch ein herzensguter Mensch in ihm steckt. Er bekommt sowohl beruflich als auch privat plötzlich eine Aufgabe, sein Leben erhält neuen Schwung. Die Geschichte ist spannend erzählt, enthält aber auch einige bewegende Szenen. Gerold geht sehr offen und ehrlich mit seinen Schwächen um, seine Gedanken sind oft ungewöhnlich aber auch überraschend und regen zum Nachdenken an. Er reflektiert sein Leben mit viel Selbstironie, und nicht nur Gerold feilt bei vielen Artikeln und Emails an jedem Wort, auch bei Glattauer scheint jedes Wort zu sitzen. Die Charaktere wirken lebendig und lebensecht, die Geschichte glaubhaft. Zum Stil des Romans passt das Hörbuch besonders gut. Heiko Deutschmann liest das Buch sehr überzeugend und wird quasi zu Gerold Plassek, der seine Geschichte erzählt. Allerdings hätte ich mir etwas mehr Wiener Akzent gewünscht, das hätte dem Hörbuch noch mehr Authentizität verliehen, eine Empfehlung ist es auf jeden Fall.