Geschenkt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
schnuffelili Avatar

Von

Der Wiener Journalist Gerold Plassek arbeitet bei der Gratiszeitung "Tag für Tag" und lebt so vor sich hin, indem er tagsüber antriebslos die Kurzmeldungen verfasst und sich abends in seiner Stammkneipe mit Freunden trifft. Dieser Alltag ändert sich schlagartig als er erfährt, dass er Vater eines 14-jährigen Jungens namens Manuel ist, den er einige Monate lang für ein paar Stunden in seinem Büro beschäftigen soll, da dessen Mutter nach Afrika reist. Aller Anfang ist schwer und so finden auch die beiden eher mühsam einen Draht zueinander. Doch durch überraschende Ereignisse, nämlich Geldspenden in Höhe von 10.000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen aufgrund einer kurzen Erwähnung im Gratisblatt, wird die Beziehung nach und nach immer enger und "Vater-Sohn-ähnlicher". Zusammen suchen beide nach dem anonymen Wohltäter und erleben dabei einige kleine "Abenteuer".

Die Geschichte ist zwar in Kapitel unterteilt, aber jedes ist dann nochmal in Unterkapitel mit knackigen, auf den Inhalt bezogenen Überschriften versehen. Sodass man auch wenn mal nur wenig Zeit ist, nicht das Gefühl haben muss, mittendrin Pause zu machen. Am meisten angesprochen hat mich der Schreibstil des Autors Daniel Glattauer. Er weist einen großen Wortschatz vor und schreibt definitiv nicht eintönig und langweilig, sondern eher lustig (Manuel hat "...unzählige Freunde, die dafür sorgten, dass er so fest verwurzelt war, dass er sich praktisch nicht mehr vom Fleck rühren konnte.") und sehr bildhaft ("eine Frisur wie Betty Geröllheimer"). Bei den gerne verwendeten verschachtelten Sätzen muss man sogar sehr aufmerksam lesen, damit man den Anfang nicht vergisst und allem folgen kann. Somit wird auch der Leser gefordert nicht nur monoton die Sätze einen nach dem anderen abzuarbeiten, sondern er wird immer mal wieder wachgerüttelt. Man könnte alles mit so vielen Zitaten aus dem Buch belegen, dass es hier definitiv den Rahmen sprengen würde.
Die Figuren sind sehr ehrlich und menschlich, so bezeichnet Gerold sich selbst als "dezent versoffen" und hat folgenden Gedankengang bei dem Anruf von Alice, seiner Ex-Geliebten und der Mutter von Manuel, bei dem sie vorschlägt, sich bei ihr zu treffen: "...Am besten bei mir. Diese Worte übten eine ziemliche Faszination auf mich aus, und wenn Männer es schaffen, hier nicht in eine ganz bestimmte Richtung zu denken, noch dazu im Frühsommer, in dem sie überdies gerade ungebunden sind, dann herzlichen Glückwunsch." Dies ist auch ein Beispiel für solch einen berühmten Schachtelsatz. Die Geschichte wird aus Gerolds Sicht erzählt. Er ist zwar am Anfang nicht sehr charismatisch, dies ändert sich jedoch im Laufe des Buches. Daher kann ich nicht sagen, dass ich die Figur nicht mochte, aber einige Entscheidungen konnte ich dann doch nicht nachvollziehen. Schade fand ich es auch, dass Manuel bis zum Schluss nicht wusste, dass Gerold sein Vater ist. Obwohl das Ende an sich schon gut gelungen ist und auch familiäre sowie spendenbezogene Fragen nicht endgültig geklärt wurden, sodass der Leser sich seinen Teil dazu denken kann.

Alles in allem ist "Geschenkt" eine gelungene Geschichte über menschliche Schicksale und eine etwas andere Vater-Sohn-Beziehung. Außerdem ist Gerold Plassek nicht der typische Held, alleine schon, weil er ziemlich viel Alkohol trinkt. Dies macht aber die Geschichte wieder umso greifbarer und realistischer. Ich kann das Buch mit gutem Gewissen weiter empfehlen.