Zwischen Klassenraum und Zukunftsvision: Ein vielschichtiger Auftakt

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saskian Avatar

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Bereits auf den ersten Seiten gelingt es Dora Zwickau, eine dichte, klug beobachtete und zugleich leise ironische Atmosphäre aufzubauen. Die Hauptfigur Isabelle Seeberger wirkt sofort lebendig – mit ihrer inneren Zerrissenheit zwischen beruflichem Anspruch, gesellschaftlicher Erwartung und der unbarmherzigen Realität ihres Alltags als Lehrerin und Mutter. Kleine Beobachtungen, wie der Weg über den Lehrerparkplatz oder das peinliche Erwischtwerden beim Zeitunglesen, vermitteln viel über ihren Charakter: reflektiert, leicht verunsichert, stets bemüht um Fassung – auch wenn innerlich alles ins Rutschen gerät.

Zwickaus Stil ist dabei fein nuanciert und pointiert. In der Beschreibung des Kollegiums, der Selbstzweifel oder des inneren Monologs von Isabelles Tante Dagmar schwingen Schärfe und Humor gleichermaßen mit. Besonders Dagmar, die sich durch Routinen schützt und deren Einkaufswagen zum Spiegel ihrer Lebensstrategie wird, sorgt für stille, beinahe melancholische Komik. Ihre Perspektive weitet das Geschehen und lässt erahnen, wie generationenübergreifend Zwickau familiäre Dynamiken, Lebensentwürfe und soziale Rollen hinterfragt.

Parallel dazu schneidet der Roman mit dem „Syndicate“-Strang ein ganz anderes, fast dystopisch anmutendes Thema an: Visionäre Tech-Projekte, männlich dominierte Innovationsblasen, gesellschaftliche Sehnsüchte nach Neuordnung. Was zunächst wie ein Kontrast zur ruhigen Lehrerinnen- und Familienwelt wirkt, verspricht bei genauerem Hinsehen eine spannende Verschränkung – zwischen digitaler Utopie und analoger Lebenswirklichkeit.

Ich möchte unbedingt weiterlesen, weil Gesellschaftsspiel verspricht, vielschichtige Figuren und gesellschaftliche Umbrüche in feiner Sprache und mit klarem Blick zu erzählen – klug, ironisch, menschlich nah. Zwickau schafft es, sowohl das Private als auch das Politische zu berühren – und das macht neugierig auf den weiteren Verlauf dieser elegant komponierten Geschichte.