Denkanstöße zu gesellschaftlichen Verantwortung und Möglichkeiten von Medien

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jannehanne Avatar

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Das Cover ist klar gestaltet und zeigt die 3 Hauptfiguren des Romans - die beiden Schwestern Isabelle und Annika, sowie deren Tante Dagmar. Die 3 verbindet am Anfang wenig. Erst der Tod deren Mutter bzw. Schwester führt sie wieder zusammen. Parallel zu diesem Handlungsstrang möchte ein großer Tech-Investor und Spieleentwickler in deren Heimatstadt Weimar eine App einführen, die den Bewohner mehr politische Mitbestimmung und Einflussnahme ermöglicht.
Der Roman ist nah an den aktuellen politisch-gesellschaftlichen Themen dran. Zwischen den Kapiteln gibt es immer wieder Einschübe aus diversen Medien, die sehr gut den zum Teil aufgepeitschten, in der Anonymität des Internets radikal formulierten Ton wiedergeben. Wie gehen die beiden Stränge am Ende zusammen auf? Für mich tatsächlich leider nicht ganz. Vermutlich bin ich mit anderen Erwartungen in den Roman gestartet, z.B. wie sich die Frauen in einer möglichen Utopie/Dystopie weiterentwickeln.
Annika arbeitet in der Tech-Branche, Isabelle ist Lehrerin für Politik und Dagmar unterrichtet Soziologie an der Hochschule. So hatte ich bei manchen Dialogen oft den Eindruck eher ein Sachbuch zu lesen. Die Figuren und deren Beziehungsleben blieben für mich kühl und irgendwie blass. So sitzen die 3 Frauen wenige Tage nach dem Tod der Mutterin/Schwester in der Sauna zusammen und diskutieren die gesellschaftliche Neuordnung und sind am Ende froh, wieder zueinander gefunden zu haben. Ahja... vieles bleibt im Kopf, wird aber wenig fühlbar. Die Auseinandersetzung mit der zu erwartenden Trauer, möglicherweise auch Ambivalenz gegenüber der Verstorbenen und insgesamt eine emotionale Tiefe in der Figurenzeichnung wird man beim Lesen eher wenig finden.
Andererseits merkt man dem Roman die Expertise der Autorin mit der Tech-Branche und Medien sowie ihre intensive Auseinandersetzung mit deren gesellschaftlichen Verantwortung/Möglichkeiten an. Wenn man es so liest, wird man als Leser mit vielen Denkanstößen belohnt und bekommt einiges an Diskussionsstoff.