Dystopie oder Utopie?

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dany_87 Avatar

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„Gesellschaftsspiel“ ist der erste Roman von Dora Zwickau. Er umfasst 288 Seiten und ist im Hardcover bei dem Verlag Piper erschienen.

In dem Roman geht es um verschiedene Themenbereiche. Zum einen haben wir eine entzweite Familie, die aus zwei Schwestern, Annika und Isabelle, sowie ihrer Tante Dagmar besteht. Alle drei haben nur noch wenig miteinander zu tun, doch der plötzliche Hirntod der Mutter bzw. Schwester bringt sie wieder näher zueinander.
Der Roman ist vorwiegend, abwechselnd aus Sicht dieser drei Frauen geschrieben. Es handelt sich um unabhängige, starke Frauen, die gelernt haben für sich selbst zu sorgen und einzustehen.
Isabelle ist während ihres Lehramtsstudium schwanger geworden. Dank der Unterstützung ihrer Mutter konnte sie das Studium erfolgreich abschließen und unterrichtet nun u.a. Politik in der Oberstufe. Sie zieht ihren Sohn Alexander alleine auf. Dagmar lebt zusammen mit ihrem Kater in einer großen Wohnung und ist Dozentin an der Universität von Weimar. Sie ist in allen aktuellen Themen investiert, Feministin und hat einen tollen Humor. Annika hat Karriere im Silicon Valley gemacht, befindet sich in Therapie wegen einer jahrelangen Essstörung und ist eine richtige Workaholic.

Während die Mutter von Annika und Isabelle im Sterben liegt, befindet sich Weimar in Aufruhr. Ein Tech-Milliardär hat eine neue App – The Syndicate - entwickelt und möchte in der deutschen Stadt seine Vision einer Gesellschaft umsetzen. Dazu lässt er die Anwohner mitbestimmen und zieht alle in seinen Bann. Die gesamte Handlung spielt innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen.
Das Buch ist neben den drei Perspektiven auch immer wieder in kurze Zwischenkapitel unterteilt. Hierbei werden mal Klassenchatverläufe von Isabelles 11. Klasse abgedruckt oder Ausschnitte / Tweets aus Social Media, Zeitungen oder Mitschriften von Podcasts angeführt.

Neben den zwischenmenschlichen, familiären Themen geht es vor allem um die Frage, was Demokratie ist, wie eine Gesellschaft sein sollte und ob man durch mehr Mitbestimmung, also direkter Demokratie, der herrschenden Politikverdrossenheit entgegenwirken kann. Es geht auch um die Nutzung sozialer Medien, um Mediensucht, aber auch um ein Gemeinschaftsgefühl.
Das Gedankenexperiment war spannend zu verfolgen. Die Autorin ist sehr vielschichtig mit diesem Thema umgegangen und hat die verschiedensten Blickwinkel und Meinungen thematisiert. Es kam mir sehr echt vor, wie die Figuren mit diesem neuen System umgehen und was sich daraus für Fragen und Handlungsschritte ergeben. Mich persönlich hat das familiäre Konstrukt aber mehr angesprochen. Ich mochte es die drei Frauen für eine Weile in ihren Leben zu begleiten und auch die Familiendynamik habe ich gerne verfolgt.
Insgesamt ein kurzweiliger Roman, der gesellschaftskritisch und zeitgemäß ist. Wer Lust auf Gedankenexperimente und Politik hat – sollte diesen Roman lesen.