Gesellschaftsrevolution auf Sparflamme

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"Gesellschaftsspiel" von Dora Zwickau ist ein ruhig erzählter Roman, der versucht, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen mit einer Familiengeschichte zu verknüpfen, damit aber nur bedingt überzeugen kann.

Die Handlungsidee des Romans liest sich noch vielversprechend.
Erzählt abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Schwestern Isabelle, Annika und ihrer Tante Dagmar, unterbrochen von Chatposts und Interviews, taucht man in das beschauliche Weimar ein, das dank eines Tech-Milliardärs zum Schauplatz eines gesellschaftlichen und sozialen Experiments wird. Denn der Milliardär möchte mittels seiner App die Gesellschaft revolutionieren, und Weimar soll der Startpunkt dafür sein.
Eigentlich haben die drei Protagonistinnen jedoch andere Sorgen, liegen doch Isabelle und Annikas Mutter und Schwester von Dagmar nach einem Schlaganfall im Krankenhaus. Doch nach und nach werden alle drei nach anfänglicher Skepsis auch vom Sog der App und ihrem Ziel des gesellschaftlichen Umbaus erfasst.

Was jedoch nach einer tiefgründigen Geschichte über aktuelle gesellschaftliche Fragen und Entwicklungen klingt, entwickelt sich schnell zu einer eher oberflächlichen und erstaunlich emotionslos geratenen Erzählung.

Zum einen bleiben die drei Hauptfiguren in ihrer Darstellung blass und wirken eher als Handlungswerkzeuge anstatt als echte Personen mit Gedanken und Gefühlen. Das Gleiche gilt auch für den Schlaganfall der Mutter, der die drei nicht so richtig zu berühren scheint. Durch die Unnahbarkeit der Charaktere fällt es so schwer, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen und sich für sie und ihr Leben zu interessieren.

Zum anderen steuert der Roman nicht wirklich auf einen Höhepunkt zu und entstehende Konflikte werden ziemlich geräusch- und reibungslos aufgelöst.
Auch vielen Aspekten, die zum Thema Demokratie, Politik, Gesellschaftsvorstellungen, Geschlechterrollen oder Gefahren neuer Technologien, angesprochen werden, fehlt es an der erhofften Schlagkraft. So werden eher Schlagwörter oder Argumente genannt, ohne sie wirklich Gegenstand der Handlung zu machen.

"Gesellschaftsspiel" ist so alles in allem ein Roman, der sein Potenzial leider nicht nutzt.
Auch wenn ein angenehm zu lesender Schreibstil und wechselnde Erzählperspektiven für eine kurzweilige Lektüre sorgen, verbleibt die Handlung enttäuschenderweise nur an der Oberfläche und schafft es nicht, einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.