Interessantes Gedankenspiel mit etwas hohem Theorieanteil

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waschbaerprinzessin Avatar

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Eine Gesellschaft, die sich selbst mithilfe einer App verwaltet, in der alle mitbestimmen können - ist das die Zukunft der Demokratie oder ihr Untergang? Diese Frage beleuchtet Dora Zwickau in ihrem Romandebüt “Gesellschaftsspiel” aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Besonders gut gefallen haben mir dabei die Auszüge aus der digitalen Welt zwischen den Kapiteln. Die Autorin hat verschiedenste Schnipsel aus unserem digitalen Alltag - unter anderem Social Media-Kommentare, Auszüge aus Gruppenchats, die Betreffzeilen in einem E-Mail-Posteingang, Pressemeldungen, einen Slack-Channel, einen Podcast - zusammengestellt, die auf mich größtenteils ziemlich realistisch wirken. So könnte das Internet tatsächlich reagieren. Zwickau spielt auf kreative Art und Weise mit diesen Textformen, zoomt damit aus dem Leben der drei Protagonistinnen hinaus und ermöglicht einen breiteren Blick darauf, was “The Syndicate” in Weimar und der Welt auslöst.

Am Umgang der drei Frauen mit der App hat mir gut gefallen, dass ihr Verhältnis zu dem Experiment von Anfang an von Unsicherheit geprägt und ambivalent ist und sie nicht von vornherein eine feste Meinung haben. Annika, Isabelle und Dagmar sind interessante und facettenreiche Charaktere. Leider geht ihre private Geschichte gelegentlich in der theoretischen Darstellung und politischen Diskussion rund um “The Syndicate” unter. Es entsteht der Eindruck, dass Isabelle nur Politiklehrerin ist, damit die Lesenden ebenso wie ihre Schüler*innen Unterrichtseinheiten zum Thema Demokratie erhalten. Die Art und Weise, wie Isabelle und ihre Klasse das Thema “The Syndicate” aufgreifen und die ernsthaften politischen Diskussionen im Klassenchat gehören zu den wenigen Dingen, die ich dem Roman nicht abkaufe (ebenso, dass diese Klasse scheinbar täglich Politikunterricht hat und Isabelle nichts anderes zu unterrichten scheint als Politik in der elften Klasse). Auch manche Diskussionen unter den drei Protagonistinnen waren mir zu sehr darauf ausgelegt, alle Vor- und Nachteile des neuen Systems darzulegen, wodurch sie eher wie theoretische Abhandlungen als wie lebensechte Unterhaltungen wirkten.

Alles in allem habe ich “Gesellschaftsspiel” von Dorau Zwickau sehr gerne gelesen. Die Autorin hat ein interessantes Gedankenspiel auf äußerst kreative Weise in einen spannenden Roman voller überraschender Wendungen und Denkanstöße verpackt.