Weniger Thriller - mehr Wendungen

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Eins vorweg: Ich mag die Bücher von Henri Faber sehr gerne. „Gestehe“ ist bereits der dritte Thriller des Autors, leider nicht sein bester. Dennoch würde ich ihn weiterempfehlen. Denn schon optisch macht das Buchcover richtig was her und bietet eine Haptik, die für die Bücher von Faber typisch ist. Damit ist „Gestehe“ äußerlich seinen Vorgängern schon mal treu geblieben. Auch wenn ich das Buch nicht als typischen Thriller empfunden habe, hatte es trotzdem viel Spannung zu bieten. Die Geschichte dreht sich um den (etwas) abgehobenen Ermittler Johann Winkler, nur noch Inspektor Jacket genannt. Seit er vor einigen Jahren einen Organhändlerring gesprengt und ein kleines Mädchen vor dem Tod gerettet hat, wird er in Österreich als Held gefeiert. Dort, genauer gesagt in Wien, spielt nämlich die Geschichte, die abwechselnd aus der Perspektive von Jacket, Mo und Er erzählt wird. Mo ist Mohammad Moghaddam und ebenfalls Ermittler wie Jacket bei Leib-Leben. Da er Jacket alles andere als sympathisch findet, missfällt es ihm auch, dass er zufällig mit ihm die Ermittlungen zu seinem ersten Mordfall leiten soll. Gegensätzlicher könnte so ein Duo kaum sein. Jacket, der zumindest nach außen hin absolut von sich selbst überzeugt scheint und seit seiner heroischen Tat, die er auch noch in einem Buch unter dem Titel „Blutnacht“ veröffentlicht hat, eher als Star, denn als Ermittler von sich reden macht, ist das komplette Gegenteil von Mo. Mo hat es aufgrund seiner ausländischen Wurzeln nicht leicht in seinem Job und versucht sich durch seine Genauigkeit und seinen konservativ-spießigen Kleidungsstil als Vorzeige-Österreicher zu geben, was ihm allerdings nicht gelingt.
Faber stellt in seinem Thriller neben den Mordfällen auch gesellschaftskritische Themen in den Vordergrund und macht anhand der Figur von Mo den Alltagsrassismus deutlich, der ihm immer wieder entgegenschlägt.
Bei der Person „Er“ ist lange nicht klar, um wen es sich dabei handelt. Mutmaßlich könnte es sich dabei um den Nachfolgeroman Jackets handeln, denn dieser ist gerade in der Mache. Für mich persönlich hätte es diese Kapitel nicht unbedingt gebraucht, zumindest nicht in der Form. Insgesamt tragen sie dennoch zum Verständnis und Ablauf der Geschichte bei.
Ohne noch mehr vorwegzunehmen sei gesagt, dass „Gestehe“ für die Leser:innen zahlreiche überraschende Wendungen bereithält. Mal mehr, mal weniger nachvollziehbar. Auch die Actionszenen hätte es für meinen Geschmack nicht gebraucht, einfach, weil ich davon kein Fan bin. Aber wer Action mag, kommt in „Gestehe“ auf jeden Fall auf seine Kosten.
Begeistert bin ich von der bereits angesprochenen Gesellschaftskritik, die Faber übt und seinem wortgewandten und humorvollen Schreibstil.
Insgesamt war „Gestehe“ für mich ein Pageturner, den ich nur schwer aus der Hand legen konnte. Besonders das Ende hat mich dann noch mit den teilweise weit hergeholten Wendungen versöhnt, weshalb ich das Buch, wenn auch mit kleinen Abstrichen, weiterempfehlen würde.