Wiener Blut

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
ein.lesewesen Avatar

Von

Ein FABER ist ein FABER, ist ein FABER.
Auch in seinem 3. Standalone-Thriller hat er wieder abgeliefert und mich vollends überzeugt. Denn es ist mehr als die Jagd nach einem Serienkiller, es ist ein Thriller mit Substanz, doch dazu später mehr.

Johann ›Jacket‹ Winkler, Wiener Chefermittler – der sich als Held und Bestsellerautor feiern lässt. Hat er doch vor 4 Jahren ein kleines Mädchen aus den Fängen von Organhändlern befreit und über diese Blutnacht ein Buch geschrieben. Aber vor allem ist er ein narzisstischer Großkotz, der seinen Kollegen ein Dorn im Auge ist, weil er eigentlich nur noch eine Gastrolle im Kommissariat hat, und sich lieber in der Boulevardpresse sonnt.

»Hauptsache es gibt Applaus, ich werde angehimmelt. Denn das ist mein Treibstoff: Aufmerksamkeit. Ich habe einen riesigen Dachschaden, aber solange Scheinwerferlicht durchkommt, sonne ich mich darin.« S.230

Und da wäre noch Mohammed ›Mo‹ Moghaddam, überzeugt davon, dass seine zu dunkle Hautfarbe daran schuld ist, dass er als Jahrgangsbester noch immer hinterm Schreibtisch sitzt, statt draußen Verbrecher zu jagen.

Eine gelungene, zündstoffreiche Kombi, die Faber ins Rennen schickt, als beide an einen Tatort gerufen werden – über dessen Opfer an der Wand das Wort GESTEHE steht. Während sich Mo pflichtbewusst in die Ermittlungen stürzt, bricht nicht nur Jackets traumatische Vergangenheit auf. Denn das, was er hier gesehen hat, steht in seinem zweiten noch unveröffentlichten Buch. Und damit ist klar, das wird nicht der letzte Mord sein.
Ich muss sagen, dass mich der Anfang etwas verwirrt hat, denn einen Thriller in drei Ich-Perspektiven zu schreiben, ist schon sehr ambitioniert. Als ich mich aber reingefuchst hatte, machte der Thriller richtig Spaß, auch wenn ich Jacket zu Beginn echt nicht ausstehen konnte.

Aber da sind ja noch all die anderen Figuren, bei denen sich Faber richtig ins Zeug gelegt hat. Dafür mixt er auch gern mal etwas Klischee und Überzeichnung, um sie lebendig werden zu lassen. Zusammen mit der aktuell politischen Stimmung der Vorwahlzeit ergibt sich daraus ein absolut stimmiges Gesellschaftspanoptikum. Faber legt spürbar den Finger in die Wunde, wenn ein Land einen Rechtsrutsch macht, Rassismus salonfähig wird und die Wiener Hautevolee sich selbst bejubelt.
Und so wird aus einer schnöden Jagd nach einem Serienkiller eine Milieustudie, die zeigt, dass die Verbrechen bis weit in die oberste Gesellschaftsschicht reichen. Ich sag nur »Wiener Blut« von Falco. Und tatsächlich stattet Jacket der Wiener Unterwelt einen Besuch ab.

Das alles unterlegt Faber wortgewandt mit einem schwarzen Humor und gelegentlichen Wiener Schmäh, was mir wahnsinnig gut gefallen hat. So ein unerschöpfliches Repertoire an bissigen Sprüchen muss man erst unterbringen in einem Thriller.

Fazit: Faber legt nach Kaltherz noch mal einen drauf. Nichts ist hier, wie es scheint, und es warten einige Überraschungen auf die Leser*innen. Fitzek sollte sich warm anziehen, denn mit Faber etabliert sich hier eine ernstzunehmende Konkurrenz, die ihm sprachlich, inhaltlich und plottechnisch bereits überlegen ist. Ichh gestehe - ich bin weiterhin Faber-Fan