Gestern, heute, unendlich - ein bittersüßes Leseerlebnis

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Schon das Cover von Gestern waren wir unendlich hat mich tief berührt. Mit seinen pastelligen Tönen, dem poetischen Motiv und der zarten Melancholie spiegelt es perfekt wider, was zwischen den Seiten verborgen liegt: eine fragile, gefühlvolle Geschichte mit Tiefe. Der wunderschöne Farbschnitt rundet das Gesamtbild ästhetisch ab – ein echter Blickfang mit viel Gefühl.
Doch Gestern waren wir unendlich ist mehr als nur ein schöner Einband: Es ist kein gewöhnlicher Liebesroman, sondern ein emotionales Ausnahmeerlebnis, das mit seiner stillen Intensität überzeugt. Dominik Gaidas Schreibstil hat mich sofort abgeholt – atmosphärisch, eindringlich und absolut authentisch. Seine Beobachtungen sind klug und feinfühlig, die Sprache poetisch ohne je gekünstelt zu wirken. Jede Zeile fühlt sich bedeutungsvoll an, jede Emotion nah und greifbar.
Besonders stark fand ich den subtilen Spannungsaufbau, der nicht durch äußere Dramatik, sondern durch innere Konflikte funktioniert. Die emotionale Fallhöhe ist spürbar, von Anfang an schwingt ein unterschwelliger Schmerz mit. Die Beziehung zwischen Henry und Louis wirkt real, brüchig, zärtlich – und eben nicht idealisiert. Auch die Erzählstruktur ist hervorragend umgesetzt: Die Verbindung zwischen der sich wiederholenden Gegenwart und der chronologisch aufgebauten Vergangenheit ist durchdacht und sorgt dafür, dass keine Längen entstehen.
Die Ich-Perspektive aus beiden Blickwinkeln – Louis’ und Henrys – hat mir gut gefallen, da ich mich dadurch besser in die Charaktere hineinfühlen konnte. Dennoch bin ich mit Henry bis zum Schluss nicht ganz warm geworden. Vielleicht, weil er mir an manchen Stellen zu schwer fassbar blieb – für mich ein kleiner Wermutstropfen in einer ansonsten sehr fein ausgearbeiteten Geschichte.
Die Liebe zwischen den beiden Protagonisten ist intensiv, leise und bewegend. Besonders ihre kleinen Gesten, ihre Nähe, ihre Dialoge haben mich als Leserin tief berührt. Die Themen Vertrauen, Mut und Ehrlichkeit wurden ganz natürlich in den Alltag der Figuren eingewoben – unaufdringlich, aber wirkungsvoll.
Und dann kam das Ende. Zunächst war ich mir nicht sicher, wie sehr mich die Geschichte wirklich berührt hatte – und plötzlich saß ich da, mit einem schweren Herzen und feuchten Augen. Das Buch hat mich im letzten Moment doch noch voll erwischt. Und doch: So schön der Abschluss emotional war, so sehr hätte ich mir etwas mehr Realitätsnähe gewünscht. Das Ende war mir persönlich eine Spur zu idealisiert – was der Wirkung jedoch kaum Abbruch tut.

abschließendes Fazit:
Gestern waren wir unendlich ist ein feinfühliger, atmosphärischer Roman über Liebe, Verlust und die Zerbrechlichkeit zwischenmenschlicher Nähe. Mit einem authentischen Schreibstil, emotionaler Tiefe und einer besonders gelungenen Struktur gelingt Dominik Gaida ein starker Auftakt des Duetts. Auch wenn es für mich nicht ganz zum Lesehighlight gereicht hat, bleibt es ein besonderes Buch, das nachwirkt – und das ich trotz kleiner Kritikpunkte gern empfehle.