Nichts für Zwischendurch!

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strohhaken Avatar

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In der fiktiven Stadt Ginsterburg lernen wir verschiedene Charaktere kennen, an deren Leben wir in den Jahren 1935, 1940 und 1945 teilhaben können. Wie verändert sich Deutschland in dieser Zeit und wie passen sich die Menschen an? Die ganze Bandbreite wird in dem Roman Ginterburg von Arno Frank abgedeckt. Das Ausnutzen der eigenen Macht, das Verstecken, das Mitlaufen, all die Zweifel, die Euphorie und die Bösartigkeiten werden glaubwürdig dargestellt. Wirklich bedrückend finde ich die Geschichte um Fritz, mit seiner geistigen Behinderung und der Umgang damit. Wobei - es gibt so viele Stellen im Buch, die mich fassungslos machten.

Der Aufbau des Buches ist zunächst verwirrend. Einzelne Handlungen werden erzählt oder auch nur angerissen. In einer schnellen Abfolge werden Bruchstücke aneinandergereiht, deren Zusammenhänge sich erst nach und nach ergeben. Zwischendurch wird die Geschichte durch Zeitungsartikel, Gesetze, Briefe ergänzt. Das war schon sehr gut gemacht, als das Bild dann komplett war.

Schade finde ich, dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass reale Personen in den Roman eingebunden wurden. Als wäre z.B. Lothar Sieber in Ginsterburg aufgewachsen und hätte dort gelebt. Diese Vermischung finde ich schwierig. Andere Ungenauigkeiten wie z.B. Pervitin oder die Umrechnung von MDXCVII finde ich nicht schön, kann ich aber verschmerzen.

Ich konnte mich mit keiner Figur richtig anfreunden. Vielleicht waren es zu viele, ich konnte sie nicht gut genug kennenlernen oder sie waren nicht genau genug herausgearbeitet.

Mit dem Schreibstil habe ich mich wirklich schwergetan. Fragmente, zeitliche Sprünge, kein Rhythmus, lange Sätze und einige Längen. Es fiel mir schwer, an dem Text dranzubleiben. Vielleicht hab ich auch zu sehr auf die Leichtigkeit vom Vorgängerbuch gehofft, was thematisch aber nicht machbar ist.

Durch das Buch habe ich viel nachgelesen, z.B. über die Natter, Radartäuschung oder das Kriegszittern. Dies ist für mich eine absolute Bereicherung, wenn das ein Schriftsteller schafft und ich unbedingt mehr wissen möchte.

Mein Fazit: Ein beeindruckendes Buch, an dem man dranbleiben muss. Keine leichte Kost.