Historisch berührende Chronik eines Eifeldorfes
"Ginsterhöhe" stammt aus der Feder von Anna-Maria Caspari, deren Autorinnenname ich mir ab sofort merken werde, da sie es im vorliegenden Roman sehr verstanden hat, das Schicksal der Bewohner (und des Dorfes Wollseifen selbst) im teils unseligen 20. Jahrhundert auf spannende, gut recherchierte und mit historischen Fakten versehene Weise nachzuzeichnen.
Erschienen ist der Roman im Ullstein-Verlag (400 Seiten, brosch., 2022) und sehr empfehlenswert ist es m.E. für alle, die gerne Romane lesen, in denen sich reale historische Fakten mit Fiktion auf spannende und gut lesbare Art mischen.
Wollseifen, Nordeifel, 1919:
Albert Lintermann kehrt aus den Schützengräben des 1. Weltkrieges zurück; am Leben, jedoch versehrt und im Gesicht schwer gezeichnet. Sein Freund Hennes konnte die Rückkehr nicht mehr erleben: Er fiel im Krieg und hinterlässt Leni, seine Verlobte und eine Tochter, deren Bekanntschaft er niemals wird machen können...
Vom Vater abgeholt, ist Albert kaum zu Hause, als er bereits die Erstarrung von Bertha, seiner jungen Frau, erleben muss, die sich fortan für längere Zeit von ihm abwendet. Er überbringt Leni, der Verlobten von Hennes, die ihn ganz normal behandelt und froh ist, dass der Freund wenigstens überlebte, die bittere Nachricht vom Tode Hennes.
Der Roman ist in Teil I bis III zeitlich gegliedert und die dunklen Wolken (Inflation, hohe Arbeitslosigkeit, Erstarken des Nationalsozialismus) fühlt man zum einen bereits heraufkommen, zum anderen werden sie von der Autorin sehr gut beschrieben: Wollseifen ist ein traditionelles Eifeldorf, in dem die Einwohner gerne leben, es viel Gemeinschaftssinn gibt und die Bewohner mit ihrem Auskommen und Leben zufrieden sind, auch wenn der Boden karg und das Klima rau ist. Ein Mann, der ein großes Gut übernommen hat und fortan "dazu gehören" will; wohlhabend ist, ist Meller - allerdings macht er sich von Beginn an gemein mit den Nationalsozialisten, ist antisemitisch eingestellt und trotz all seiner Bemühungen wird er mit Vorsicht genossen, da er auch als unberechenbar und skrupellos gilt.
Im Verlauf des Romans wirft er ein Auge auf Leni - und will ihr Ja zu einer Heirat erzwingen, indem er um sie wirbt: Nach der Hochzeit wird sie einen wenig sie umschmeichelnden, sondern eher einen widerwärtigen Nazi zum Manne haben.
Man erfährt im Roman, wie sich das Dorfleben gestaltet, wie schwer die Arbeit ist mit Land und Vieh; aber auch von Festen und Brauchtum, das sicher noch heute in den Dörfern der landschaftlich schönen Eifel gepflegt wird. Ich hatte beim Lesen besonderes Interesse an der Beschreibung der Arbeit in der Landwirtschaft (damals noch mit einfacheren Mitteln als heute), da mein Großvater ebenfalls Landwirt in derselben Zeitspanne gewesen ist. So habe ich "von Haus aus" (ohne ihn leider kennengelernt zu haben) großen Respekt vor dieser Arbeit, die auch den Kindern vieles abverlangte (z.B. die Kühe auf die Weide zu bringen, bevor sie in die Schule gehen durften, so hat es mir meine Mutter erzählt).
Mit Silvio, Kneipenwirt und bester Freund von Albert, gehen wir auf Schmuggeltour nach Belgien, um z.B. dem Lehrer des Dorfes, Faßbender, seinen Café und seinen Tabak mitbringen zu können. Es werden Feste gefeiert und Hochzeiten, und nachdem Albert sich in Bonn von einem hervorragenden Chirurgen operieren lässt und wieder "ansehnlicher" aussieht, nähert sich ihm auch Bertha wieder an; die Familie wächst: Zu Anne-Marie, der ältesten Tochter, gesellen sich zwei Söhne...
Die historischen Fakten (wie die Bücherverbrennung, Reichskristallnacht, Einmarsch in Polen am 1. September 1939 wie auch der Anschluss Österreichs etc.) entnehmen wir den Tagebucheinträgen des Dorflehrers Faßbender, der sich zunehmend sorgt und sich fragt, "wo dies enden solle" - ein Freigeist, der mir sehr sympathisch war (zum Glück für ihn blieb es ihm durch seine Pensionierung erspart, die fragwürdigen Unterrichtspläne der Nazis umzusetzen).
Wir lernen einige starke Persönlichkeiten und deren Schicksale kennen; allen voran Leni, aber auch "die Gräfin", die alleine mit einigen Bediensteten und einer behinderten Tochter ein großes Gut bewirtschaftet und sich mit Pferdezucht erfolgreich über Wasser hält - bis zum Zeitpunkt zumindest, als die Nazis aufmarschieren - und den Untergang eines Landes herbeiführten. Lenis Tochter Hildegard, die Tochter von Hennes, hat mich sehr fasziniert, da sie Trost und Kraft durch "Handauflegen" Mensch und Tier spenden konnte: Solche Menschen mit 'heilenden Händen' gibt es in der Tat.
Brutalität und Grausamkeit sowie Verblendung der Nazi-Propaganda wird im Roman von Meller personifiziert; ein hintertriebener, schwacher und unheilvoller Charakter, der selbst seinen Sohn Siegfried ins Verderben stürzt...
So verfolgt man die jeweiligen Schicksale der Dorfbewohner und erlebt die Evakuierung mit, die mit dem Bau der Schulungsanlage "Vogelsang" - eine Burg, die die Nazis einen Steinwurf von Wollseifen entfernt errichteten, nach dem Kriege mit (auch im Krieg fielen etliche Bewohner des Dorfes den Bombardements zum Opfer). Die Dorfbewohner müssen ihren Ort zurücklassen - und hoffen, wiederkommen zu können. Was niemals mehr der Fall sein wird, da das Gelände zum Truppenübungsplatz der Briten und dann der Belgier als Sperrgebiet ausgewiesen wird: Erst seit 2006 ist es möglich, die kläglichen Überreste von Wollseifen, einem einst blühenden Dorf in der Nordeifel, erwandern zu können. Lediglich eine kleine Kapelle und ein Trafohäuschen sind davon geblieben.
Fazit:
Mich hat dieser Roman aus den genannten Gründen heraus (und da ich mich ohnehin für Zeitgeschichte sehr interessiere) sehr berührt; ich kannte die Geschichte bisher nicht und spreche der Autorin meinen Dank für diesen sehr gelungenen Roman aus, der historische Fakten mit fiktiven BewohnerInnen verwebt und Wollseifen für einige Lesestunden, die sich lohnen, sozusagen wiederauferstehen lässt. Ein Dorf, dem die Geschichte des 20. Jahrhunderts mit zwei Weltkriegen übel mitspielte - und am übelsten seinen tapferen BewohnerInnen! Eine absolute Leseempfehlung und 5 * gibt es von mir für diese historisch interessante und auf Fakten basierende berührende Geschichte!
Erschienen ist der Roman im Ullstein-Verlag (400 Seiten, brosch., 2022) und sehr empfehlenswert ist es m.E. für alle, die gerne Romane lesen, in denen sich reale historische Fakten mit Fiktion auf spannende und gut lesbare Art mischen.
Wollseifen, Nordeifel, 1919:
Albert Lintermann kehrt aus den Schützengräben des 1. Weltkrieges zurück; am Leben, jedoch versehrt und im Gesicht schwer gezeichnet. Sein Freund Hennes konnte die Rückkehr nicht mehr erleben: Er fiel im Krieg und hinterlässt Leni, seine Verlobte und eine Tochter, deren Bekanntschaft er niemals wird machen können...
Vom Vater abgeholt, ist Albert kaum zu Hause, als er bereits die Erstarrung von Bertha, seiner jungen Frau, erleben muss, die sich fortan für längere Zeit von ihm abwendet. Er überbringt Leni, der Verlobten von Hennes, die ihn ganz normal behandelt und froh ist, dass der Freund wenigstens überlebte, die bittere Nachricht vom Tode Hennes.
Der Roman ist in Teil I bis III zeitlich gegliedert und die dunklen Wolken (Inflation, hohe Arbeitslosigkeit, Erstarken des Nationalsozialismus) fühlt man zum einen bereits heraufkommen, zum anderen werden sie von der Autorin sehr gut beschrieben: Wollseifen ist ein traditionelles Eifeldorf, in dem die Einwohner gerne leben, es viel Gemeinschaftssinn gibt und die Bewohner mit ihrem Auskommen und Leben zufrieden sind, auch wenn der Boden karg und das Klima rau ist. Ein Mann, der ein großes Gut übernommen hat und fortan "dazu gehören" will; wohlhabend ist, ist Meller - allerdings macht er sich von Beginn an gemein mit den Nationalsozialisten, ist antisemitisch eingestellt und trotz all seiner Bemühungen wird er mit Vorsicht genossen, da er auch als unberechenbar und skrupellos gilt.
Im Verlauf des Romans wirft er ein Auge auf Leni - und will ihr Ja zu einer Heirat erzwingen, indem er um sie wirbt: Nach der Hochzeit wird sie einen wenig sie umschmeichelnden, sondern eher einen widerwärtigen Nazi zum Manne haben.
Man erfährt im Roman, wie sich das Dorfleben gestaltet, wie schwer die Arbeit ist mit Land und Vieh; aber auch von Festen und Brauchtum, das sicher noch heute in den Dörfern der landschaftlich schönen Eifel gepflegt wird. Ich hatte beim Lesen besonderes Interesse an der Beschreibung der Arbeit in der Landwirtschaft (damals noch mit einfacheren Mitteln als heute), da mein Großvater ebenfalls Landwirt in derselben Zeitspanne gewesen ist. So habe ich "von Haus aus" (ohne ihn leider kennengelernt zu haben) großen Respekt vor dieser Arbeit, die auch den Kindern vieles abverlangte (z.B. die Kühe auf die Weide zu bringen, bevor sie in die Schule gehen durften, so hat es mir meine Mutter erzählt).
Mit Silvio, Kneipenwirt und bester Freund von Albert, gehen wir auf Schmuggeltour nach Belgien, um z.B. dem Lehrer des Dorfes, Faßbender, seinen Café und seinen Tabak mitbringen zu können. Es werden Feste gefeiert und Hochzeiten, und nachdem Albert sich in Bonn von einem hervorragenden Chirurgen operieren lässt und wieder "ansehnlicher" aussieht, nähert sich ihm auch Bertha wieder an; die Familie wächst: Zu Anne-Marie, der ältesten Tochter, gesellen sich zwei Söhne...
Die historischen Fakten (wie die Bücherverbrennung, Reichskristallnacht, Einmarsch in Polen am 1. September 1939 wie auch der Anschluss Österreichs etc.) entnehmen wir den Tagebucheinträgen des Dorflehrers Faßbender, der sich zunehmend sorgt und sich fragt, "wo dies enden solle" - ein Freigeist, der mir sehr sympathisch war (zum Glück für ihn blieb es ihm durch seine Pensionierung erspart, die fragwürdigen Unterrichtspläne der Nazis umzusetzen).
Wir lernen einige starke Persönlichkeiten und deren Schicksale kennen; allen voran Leni, aber auch "die Gräfin", die alleine mit einigen Bediensteten und einer behinderten Tochter ein großes Gut bewirtschaftet und sich mit Pferdezucht erfolgreich über Wasser hält - bis zum Zeitpunkt zumindest, als die Nazis aufmarschieren - und den Untergang eines Landes herbeiführten. Lenis Tochter Hildegard, die Tochter von Hennes, hat mich sehr fasziniert, da sie Trost und Kraft durch "Handauflegen" Mensch und Tier spenden konnte: Solche Menschen mit 'heilenden Händen' gibt es in der Tat.
Brutalität und Grausamkeit sowie Verblendung der Nazi-Propaganda wird im Roman von Meller personifiziert; ein hintertriebener, schwacher und unheilvoller Charakter, der selbst seinen Sohn Siegfried ins Verderben stürzt...
So verfolgt man die jeweiligen Schicksale der Dorfbewohner und erlebt die Evakuierung mit, die mit dem Bau der Schulungsanlage "Vogelsang" - eine Burg, die die Nazis einen Steinwurf von Wollseifen entfernt errichteten, nach dem Kriege mit (auch im Krieg fielen etliche Bewohner des Dorfes den Bombardements zum Opfer). Die Dorfbewohner müssen ihren Ort zurücklassen - und hoffen, wiederkommen zu können. Was niemals mehr der Fall sein wird, da das Gelände zum Truppenübungsplatz der Briten und dann der Belgier als Sperrgebiet ausgewiesen wird: Erst seit 2006 ist es möglich, die kläglichen Überreste von Wollseifen, einem einst blühenden Dorf in der Nordeifel, erwandern zu können. Lediglich eine kleine Kapelle und ein Trafohäuschen sind davon geblieben.
Fazit:
Mich hat dieser Roman aus den genannten Gründen heraus (und da ich mich ohnehin für Zeitgeschichte sehr interessiere) sehr berührt; ich kannte die Geschichte bisher nicht und spreche der Autorin meinen Dank für diesen sehr gelungenen Roman aus, der historische Fakten mit fiktiven BewohnerInnen verwebt und Wollseifen für einige Lesestunden, die sich lohnen, sozusagen wiederauferstehen lässt. Ein Dorf, dem die Geschichte des 20. Jahrhunderts mit zwei Weltkriegen übel mitspielte - und am übelsten seinen tapferen BewohnerInnen! Eine absolute Leseempfehlung und 5 * gibt es von mir für diese historisch interessante und auf Fakten basierende berührende Geschichte!