Hat Potenzial!

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igela Avatar

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Alexandra ist 15 Jahre alt, als sie aus ihrem Elternhaus fliehen kann. Die Familie Gracie, zu der Vater Charles, Mutter Deborah und 7 Kinder gehören, ist völlig im religiösen Wahn des Vaters gefangen. Die Kinder leben in Schmutz und Elend, Hunger ist an der Tagesordnung und seelische und körperliche Misshandlungen sind Alltag. Nach Alexandras Flucht werden die Geschwister befreit und in Pflegefamilien gegeben. 18 Jahre später stirbt Mutter Deborah im Gefängnis und sie müssen entscheiden, was mit dem Elternhaus in der Moor Woods Road 11 geschehen soll. Alexandra, Evie, Noah, Gabriel, Dellilah und Ethan haben mit ihrer Kindheit abgeschlossen … mehr oder weniger.





Der Klappentext und die Buchbeschreibung deuten auf harte Thrillerkost hin. Tatsächlich empfand ich das Buch jedoch als eher mittelmässig in der Beziehung. Ab und zu blitzten die seelischen und körperlichen Misshandlung, die die Eltern an den Kindern verübt haben, durch. Dies jedoch sehr subtil und zurückhaltend. Aufgrund des Klappentextes habe ich ganz etwas anderes erwartet.



Grosse Probleme hatte ich mit dem Aufbau der Geschichte. Die Autorin hat sich dazu entschieden, in langen Kapiteln, immer eines der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Da liest man also Kapitel« Lex, Girl A» bis zu «Evie, Girl C». Das siebte Kapitel wird dann unter «Wir alle» geführt. Speziell ist jedoch, dass in jedem Kapitel Alexandra erzählt und das, bei Kapitelbeginn, aufgeführte Geschwisterkind nur am Rande und oft auch nur in der Gegenwart eine Rolle spielt. Zudem wird in den einzelnen Kapiteln der Fokus eher auf Nebenfiguren gelegt, die (zu) viel Platz einnehmen. Bei 7 Geschwistern und den Eltern, also 9 Protagonisten, der Handlung in der Vergangenheit, noch jede Menge Nebenfiguren einzubauen, empfand ich als unübersichtlich. Meiner Meinung nach hätte man da gleich die Zuweisung der Kapitel auf eine Figur weglassen können.

Als ermüdend empfand ich die abrupten Wechsel von der Vergangenheit in die Gegenwart, die immer wieder meinen Lesefluss gestört haben. Die Vergangenheit ist zudem nicht chronologisch geordnet. Da hat die Autorin weder dem Leser noch der Geschichte einen Gefallen getan, denn das Ganze wird dadurch wirr und chaotisch.



Da man von vornherein weiss, dass die Kinder aus dem Horrorhaus, das sich Elternhaus nennt, gerettet werden, nimmt das erst mal alle Spannung weg. Die Gegenwart ist eine Aufarbeitung der Geschehnisse in der Vergangenheit. Einzig die Frage, was aus den einzelnen Opfern geworden ist, hat mich durchhalten lassen. Da gibt es einige Ueberraschungen, die mich etwas mit den negativen Punkten versöhnt haben.



Die Eltern sind sehr religiös und entwickeln einen regelrechten Wahn, der ein Martyrium für ihre sechs Kinder bedeutet. Ich hätte es begrüsst, wenn die Entwicklung zwischen Glaube zu Beginn, bis zu den Misshandlungen, unter dem Deckmantel Religion, besser ausgearbeitet worden wären. Denn so kommt das nicht ganz überzeugend rüber.



«Girl A» ist das Debut der Autorin und ihr Schreibstil, der subtil Gewalt andeutet, hat durchaus Potenzial zu fesseln. Wenn sich die Autorin beim nächsten Thriller etwas mehr um eine logische und überblickbare Struktur bemüht, bin ich sofort dabei auch ihr nächstes Buch zu lesen.