Nicht für jeden etwas

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lina.mo.p Avatar

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Schon das Cover von Girls of Dark Divine weckt Neugierde und deutet mit seiner düsteren Eleganz auf den besonderen Ton der Geschichte hin. Auch die Leseprobe wirkt vielversprechend: Sie führt die Lesenden in eine Welt, in der sich Ballettkunst und Fantasy-Elemente miteinander verweben – eine ungewöhnliche, aber faszinierende Mischung, die sofort Aufmerksamkeit auf sich zieht. Für viele dürfte dieses Werk auch die erste Begegnung mit der Autorin E.V. Woods sein, und als Debütroman bringt es sowohl Stärken als auch Schwächen mit sich.
Im Mittelpunkt steht Emberlyn, die Primaballerina einer berühmten Tanztruppe, die von außen glänzt, im Inneren jedoch von einem dunklen Geheimnis durchzogen ist. Ein grausamer Fluch hat sie und die anderen Tänzerinnen wortwörtlich zu Marionetten gemacht: Ihre Körper werden gelenkt, ihre Bewegungen kontrolliert von Malcolm, dem Puppenspieler. Was wie ein poetisches Bild klingt, wird zur bedrückenden Realität und bildet die Grundlage der Handlung. Die Vorstellung, keine Kontrolle über den eigenen Körper zu haben, ist gleichermaßen erschreckend wie faszinierend – und sorgt für eine düstere Grundstimmung, die sich durch das gesamte Buch zieht.
Die Stärke des Romans liegt klar in dieser ungewöhnlichen Kombination: Ballett, Symbol für Schönheit und Disziplin, trifft auf dunkle Magie und Machtmissbrauch. Emberlyns Wunsch nach Freiheit wird dadurch umso nachvollziehbarer, und ihre Motivation treibt die Geschichte beständig voran. Besonders eindringlich ist die emotionale Dimension: Die Traurigkeit und Verzweiflung der Figuren sind spürbar, ebenso die kleinen Hoffnungen, die sie einander geben.
Emberlyn ist eine vielschichtige Protagonistin, sensibel und mutig zugleich. Sie schwankt zwischen Angst und Hoffnung, zwischen dem Wunsch nach Selbstbestimmung und der Furcht, für immer gefangen zu sein. Halt findet sie bei ihren Mitstreiterinnen, die wie Schwestern füreinander da sind, und in der geheimnisvollen Gestalt ihres Tanzpartners aus Schatten, der eine rätselhafte, romantische Note einbringt. Gerade dieser „Schattenjunge“ bleibt lange undurchsichtig und trägt entscheidend zur Spannung bei.
Die Geschichte beginnt ohne große Einleitung, was anfangs verwirrend wirken kann, da wichtige Hintergründe fehlen. Diese werden jedoch nach und nach enthüllt. Manche mögen diesen Aufbau schätzen, weil er Neugier erzeugt, andere fühlen sich dadurch etwas verloren. Klar ist: Die Atmosphäre fesselt sofort, auch wenn der Einstieg nicht allen leichtfällt.
Problematisch wird es im Mittelteil. Hier verliert die Handlung an Tempo und entwickelt sich stellenweise vorhersehbar. Überraschende Wendungen sind rar, besonders bei den romantischen Entwicklungen greift Woods auf bekannte Muster zurück. Einige Passagen ziehen sich, was den Lesefluss hemmt, während andere wieder fesseln können. Diese Unausgeglichenheit ist schade, da die Grundidee so stark ist.
Auch die Gewichtung der Fantasy-Elemente spaltet die Eindrücke: Während manche Leser den düsteren Zauber genießen, könnte er anderen zu dominant erscheinen. Wer sich eine stärker realistische Auseinandersetzung mit den Symbolen von Kontrolle und Ballett wünscht, könnte enttäuscht sein. Für Fans von Romantasy mit düsterem Einschlag bietet das Buch jedoch genau das Richtige.
Ein besonderes Detail ist die deutsche Ausgabe, die ein alternatives Ende enthält. Dieses sorgt für Abwechslung, wird aber unterschiedlich aufgenommen. Manche empfinden es als überflüssig und schwächer als das Original, während andere die Möglichkeit schätzen, zwei Versionen vergleichen zu können.
Stilistisch überzeugt Woods mit einer bildhaften, atmosphärischen Sprache, die die Emotionen transportiert und die düstere Stimmung verstärkt. Zwar erfordert der Schreibstil zu Beginn etwas Eingewöhnung, doch dann entfaltet er seine Wirkung. Besonders die Figuren sind einprägsam beschrieben: Sie sind keine oberflächlichen Schablonen, sondern wirken vielschichtig und authentisch.
Im Gesamteindruck ist Girls of Dark Divine ein Roman, der durch seine Idee, seine Figuren und seine bedrückende Stimmung glänzt, gleichzeitig aber unter kleineren Schwächen leidet. Die originelle Mischung aus Ballett und Fantasy, der emotionale Kern und die dichte Atmosphäre machen das Buch lesenswert. Wer jedoch nach unerwarteten Wendungen und einer durchgehend straffen Handlung sucht, könnte zwischendurch enttäuscht werden.
Fazit:
Girls of Dark Divine ist ein atmosphärisch starkes Debüt, das durch seine ungewöhnliche Prämisse besticht. Emberlyns Kampf gegen den Fluch und ihr Ringen um Freiheit berühren, auch wenn die Geschichte nicht immer das volle Potenzial ausschöpft. Für Fans von düsteren Romantasy-Welten mit poetischem Flair und einer besonderen Ästhetik ist es eine Empfehlung – vielleicht sogar die perfekte Lektüre für dunkle Herbsttage.