Der Fluch des Künstlerlebens

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Im Mittelpunkt dieses Romans von Kirsty Capes stehen die beiden Girls Matilda und Nora, die beiden Töchter der gefeierten Künstlerin Ingrid Olssen. Ihre Kindheit war alles andre als harmonisch und liebevoll, die Skandale und Exzesse der Mutter überschatten ihr Leben bis in die Gegenwart. Jetzt ist die Mutter tot und vor allem Matilda weigert sich, die Künstlerin in einer großen posthumen Retrospektive feiern zu lassen. Doch dafür müssen sich die beiden Schwestern erst einmal wieder annähern und Ereignisse aus der Vergangenheit aufarbeiten.
Der Roman wird aus der Sicht von Matilda erzählt, sie ist hier die Protagonistin, die die Geschichte zusammen hält. 9 Jahre älter als ihre Schwester ist sie es, die an der Verantwortung für Noras Leben gescheitert ist weil sie sich entschieden hat, sich selbst zu retten. Sie wird mit 16 Mutter und die Liebe zu ihrer Tochter Beanie ist überwältigend. Es scheint so, als versuche sie mit ihr all das richtig zu machen, was ihre eigene Mutter versäumt hat. Doch Beanie ist auch nur ein Teenager mit allen Höhen und Tiefen und so ist die Beziehungen zwischen den beiden erfrischend und lebendig dargestellt.
Nora ist eine schwer traumatisierte junge Frau, die die Vernachlässigung in ihrer Kindheit und das Verlassen werden durch die Schwester nie ganz verkraftet hat. Selber Künstlerin driftet sie zwischen Ruhm und Absturz am Rande des Lebens entlang. Die Beschreibung ihres Lebens ist zutiefst traurig und wird von Capes gefühlvoll und eindringlich erzählt.
Besonders berührt hat mich die schwierige Annäherung der beiden Schwestern mit all ihren menschlichen Facetten.
Aber auch mit Ingrid Olssen hat man trotz ihres Lebenswandels irgendwie Mitleid. Völlig überfordert zwischen ihrer Kunst und dem Leben als Mutter ist sie manisch depressiv, Alkohol-, Tabletten- und Drogenabhängig und phasenweise völlig hilflos.
Kirsty Capes gelingt dieses Porträt der drei Frauen so gut, dass ich tatsächlich anfangs geglaubt habe, es handelt sich bei ihrem Roman um eine Biografie. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass immer wieder Kapitel mit Interviews eingestreut werden, die ein Biograf für ein Buch über Ingrid Olssen mit Familienangehörigen führt.
Ein Buch, dass mich sehr gefesselt hat, so dass die 540 Seiten viel zu schnell vergangen sind. Zugleich ist die Geschichte sehr berührend und auch die Nebencharaktere wie Beanies Vater oder Ingrids Schwester Karoline runden das Bild sehr gut ab. Viele ernste Themen werden behandelt, doch der Autorin gelingt es, sie mit einer Leichtigkeit und einer Spur Humor so zu erzählen, dass die Lektüre nicht bedrückend ist.
Ein wunderbares Buch, vor allem für Frauen zu empfehlen.