ungehemmter Machtmissbrauch der „besseren“ Gesellschaft

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Victoria von Gentzsch spielt hier im Roman, der im ausklingenden 19. Jahrhundert in Berlin spielt, die Hauptrolle. Sie ist bisher vom Leben nicht verwöhnt worden. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt und ihr Vater sieht darum in ihr die Mörderin ihrer Mutter und lässt sie das auch spüren. Dieser Hass überträgt sich auch auf ihre Brüder und Gustav von Gentzschs zweite Ehefrau Malvine. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Vicky versucht ihrem Zorn und ihrem Frust ein Ventil zu geben. Das tut sie in den Internaten für höhere Töchter. Dort wird sie von drei Schulen verwiesen. Freundinnen hat Vicky nicht. Wie auch: ihre Stiefmutter hält sie kurz, an den Schulen blieb sie nur kurze Zeit und gesellschaftlichen Umgang pflegt die Familie Gentzsch mangels Kontakte nicht. Erst als ihr der Kontakt zu ihrer Familie mütterlicherseits erlaubt wird, erfährt sie bei ihrer Großmutter Theresa, ihrer Tante Friederike und deren Kindern zum ersten Mal so etwas wie Anerkennung und Liebe. Beim Lesen war ich regelrecht froh, dass auch in Vickys Leben nun ein wenig Herzenswärme und Liebe einzieht. Doch leider dauert dieses Glück wegen alter, offener Rechnungen und intriganter Mitmenschen nur recht kurz…
Anfangs habe ich mich mit den vielen adligen Namen beim Lesen recht schwergetan, aber zum Glück ist am Ende des Buchs ein Personenverzeichnis aufgeführt. Mir war gar nicht bewusst, dass man den Adelstitel damals auch kaufen konnte. Dieser galt dann zwar nur als Adel 2. Klasse, aber immerhin.
Überhaupt fand ich einige Szenen im Buch sehr amüsant. Ich denke da z.B. an die Beschreibungen zum Inhalt des Unterrichts an der höheren Mädchen-Schule wie auch die Ausführungen zu den Badehäusern an der Nordsee. Mein Gott, dass kann man sich heute kaum noch vorstellen.
Die Charaktere der Figuren sind facettenreich, wodurch mir das Lesen Spaß gemacht hat. Sehr gut fallen hat mir, dass in kritischen Situationen nicht immer ein positiver Ausgang geschildert wird. Dadurch wird die Geschichte glaubhaft, die Handlung spannend und die Hoffnung des Lesers auf ausgleichende Gerechtigkeit bleibt erhalten. Die Einzige Figur, der ich nur mit Hass begegnen konnte ist Vickys Vater Gustav von Gentzsch. Wie kann ein Mann sein Kind für den Tod der Mutter verantwortlich machen, in der Familie ausgrenzen und schikanieren? Da mein Groll ihm gegenüber so groß war, habe ich ihm seinen späteren Sinneswandel auch nicht abgenommen. Ihr merkt, ich habe mich beim Lesen mit Vicky verbündet. Für mich waren das kurzweilige, zum Teil aufregende Lesestunden, die ich gerne weiterempfehle. Von mir gibt’s 5 Lese-Sterne