Wiederholung der Geschichte

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lesefee23.05 Avatar

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„Als Kind hatte sie verzweifelt versucht, sie Liebe des Vaters zu erringen. Ihr war jedoch nur Kälte entgegengeschlagen […]“

„Glanz der Ferne“ ist ein historischer Roman von Iny Lorentz. Er erscheint am 02.03.2020 im Knaur Taschenbuchverlag und bildet den Abschluss der „Berlin-Trilogie“.
Die junge Vicky von Gentzsch trägt seit ihrer Geburt die Schuld am Tod ihrer Mutter. Ihre Familie hat sie dies stets spüren lassen und erst durch den Umzug nach Berlin lernt sie, was es bedeutet geliebt zu werden. In der Großstadt nämlich, wird sie von ihrer Familie und besonders von ihrer Großmutter Theresa aufgenommen und kann mithilfe ihrer Cousinen endlich ein Internat besuchen ohne negativ aufzufallen. Trotzdem sind die Zeiten turbulent und während ihr Onkel versucht die Tuchfabrik aufrecht zu erhalten, gerät Vicky in eine Intrige, die nicht nur ihr selbst, sondern auch dem Ruf ihrer Familie schaden soll…

Der Abschluss der „Berlin-Trilogie“ hat mir, wie schon Band 1 und 2 der Reihe, sehr gut gefallen.
Zu Beginn des Romans werden alle vorkommenden Figuren kurz vorgestellt. Dabei gibt es eine Reihe bekannter Gesichter, die den Einstieg erleichtern, wobei auch einige neue Namen und Personen auftauchen, die aufgrund ihrer Vielzahl nicht so einfach zuzuordnen sind. Ein Personenverzeichnis am Ende des Buches garantiert hier aber guten Überblick, sofern man ihn denn benötigt.
Zudem gibt es einen kurzen Abriss, was seit Band 2 alles geschehen ist, denn es gibt einen Zeitsprung von etwa 20 Jahren.
Die Hauptfigur Vicky ist eine sympathische junge Frau die sich, ebenso wie ihre Vorgängerinnen Rieke und Resa nicht unterkriegen lässt. Sie hatte keine leichte Kindheit, obwohl sie eigentlich aus einem guten Elternhaus kommt. Da ihre Mutter Gunda aber bei ihrer Geburt starb, wurde sie seitdem als Aussätzige behandelt und die „Schuld“ am Tod der Mutter wog schwerer als die Freude, die ihr Vater an seiner Tochter hätte haben können.
Erst durch den Umzug ihrer Familie nach Berlin, erfährt sie, was Liebe bedeuten kann, denn in der Großstadt wird sie durch ihre Verwandtschaft, die Familie Hartung, liebevoll aufgenommen. Durch die Unterstützung, die sie von dort und gerade von ihrer Großmutter Resa erfährt, kann sich aus dem unsicheren und häufig bockigen Mädchen eine elegante und selbstbewusste junge Frau mit eigenen Zielen und Wünschen entwickeln, die sich durchaus zu benehmen weiß. Leider spielt das Schicksal ihr übel mit und die Geschichte Resas scheint sich zu einem großen Teil in ihrer Enkeltochter zu wiederholen. Die Handlung wird dadurch aber nicht langweilig, sondern eher interessanter. Zudem konnte durch das Wideraufgreifen von Resas Schicksal deren Rolle im aktuellen Roman noch einmal verstärkt werden. Dieses hat mir sehr gut gefallen, denn die Verknüpfung der gesamten Familiensaga durch Resa als erste Protagonistin rundet die Gesamthandlung ab.
Insgesamt sind die Figuren sehr authentisch dargestellt und jeder auf seine Weise einzigartig und gut konstruiert.
In diesem Band der Reihe bekommt die Rolle der Frau zum Ende des 19. Jahrhunderts nochmal eine andere Gewichtung. Es wird deutlich, dass die Emanzipation langsam beginnt - Vickys Cousine darf sogar in der Schweiz studieren - der Mann als Oberhaupt der Familie aber immer noch sämtliche Rechte über die Frau hat. Die Jungfräulichkeit blieb die höchste Tugend einer unverheirateten Frau, der Mann hatte die Verfügungsgewalt über sämtliche Vermögenswerte und die Frau wurde in den Papieren als „Frau Max Müller“ aufgeführt. Lediglich Witwen durften das Familienvermögen selbst verwalten, was auch im Roman dargestellt wurde.
Neben der Rolle der Frau wurde aber auch der Stand des Adels und die steigende Korruption im Beamtenstand thematisiert, wobei alle historischen Aspekte gut aber nicht zu aufdringlich dargestellt wurden, sondern sich gut in die Geschichte einfügten. Ergänzt durch die historischen Erläuterungen am Ende des Buches ergibt sich schließlich ein historisches Gesamtbild, das für mich einen wichtigen Teil dieser Romanart darstellt.
Der Schreibstil ist leicht und flüssig, eine gewisse Spannung bleibt durch die Intrige, die zum Fall der Familie Hartung beitragen soll, ebenfalls nicht auf der Strecke. Die Intrige wiederum greift auf den Band 2 der Reihe zurück, wodurch eine weitere geschickte Verknüpfung der einzelnen Bände erfolgte.

Mein Fazit: „Glanz der Ferne“ ist ein klassischer historischer Roman, der die sehr gelungene „Berlin-Trilogie“ fulminant abschließt. Mit dem Wiederaufgreifen der bereits bekannten Personen und Weitererzählung der Familiengeschichte anhand der nächsten Generationen entsteht eine Geschichte, die politische und historische Aspekte mit persönlichen Entwicklungen und Schicksalen vermischt. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen für einen ausgewogenen und unterhaltsamen historischen Roman mit einer großen Portion Lesespaß!