Die Last der Entscheidung
Zwei Frauen Ende dreißig, die mit der geschlechtsimmanenten Ungerechtigkeit hadern, nur noch eine absehbare Zeitspanne für die alles überschattende Frage zu haben, ob sie wirklich Kinder wollen oder nur von der Gesellschaft entsprechend indoktriniert wurden. Marie-Claire ist Radiomoderatorin und erkennt seit einiger Zeit mit Entsetzen, dass sie ihr Leben nur noch in Floskeln denkt: Abfahrende Züge, verrinnende Zeit und sich langsam schließende Türen begleiten sie täglich. An einem ähnlichen Punkt im Leben befindet sich auch Anahita, erfolgreiche Politikerin, die sich in Gedanken permanent von einer unsympathischen Interviewerin löchern lässt, schließlich sei es ja wirklich fraglich, wie sie sich für Familie und Bildung einsetzen möchte, ohne eigene Kinder zu haben. Und ihre Vergangenheit als Lehrerin war so kurz, weil sie Angst vor ihren Schüler*innen hatte – nicht die besten Voraussetzungen für die Zukunft, könnte man sagen. Daneben lernen wir noch eine Reihe anderer Frauen kennen - einige davon sind Mütter, andere nicht und durchaus froh darüber - an deren Leben die Autorin die Haben-oder-nicht-haben-Frage durchspielt. Und Jackie Thomae wäre nicht Jackie Thomae, wenn sie das nicht mit einer Leichtigkeit und einer gehörigen Portion Humor täte. Sie schreibt unterhaltsam, ohne dabei ins Seichte abzudriften, und auch wenn viele Themen nur angerissen werden, hat mich das nicht gestört. Besonders gefreut habe ich mich dagegen, dass ich einigen Figuren aus ihrem ersten Roman „Momente der Klarheit“ wieder begegnet bin - so etwas liebe ich ja. Sie spielt durchaus mit gängigen Klischees – abgeschnittene Haare, die einen neuen Lebensabschnitt einläuten sollen, eine vorher trinkfeste und feierfreudige Freundin, die plötzlich die Esoterik für sich entdeckt –, aber trotzdem schafft sie es immer, humorvoll den Finger in die Wunde zu legen. Am Ende scheint es dann doch Hoffnung zu geben, als ein neues Medikament getestet wird, das die Menopause verschieben soll. Aber die Frage bleibt, ob es nicht manchmal besser ist, wenn sich bestimmte Fragen und Möglichkeiten im Leben von allein erledigen, schließlich können sie so viel Raum einnehmen, dass kaum noch Platz für anderes bleibt.
„Glück“ ist ein gut zu lesender Sommerroman mit feministischen Themen, der in einem klar abgegrenzten großstädtischen Milieu angesiedelt ist und trotz aller Leichtigkeit verdeutlicht, dass das Recht auf eine freie Entscheidung nicht für alle gilt.
„Glück“ ist ein gut zu lesender Sommerroman mit feministischen Themen, der in einem klar abgegrenzten großstädtischen Milieu angesiedelt ist und trotz aller Leichtigkeit verdeutlicht, dass das Recht auf eine freie Entscheidung nicht für alle gilt.