Komplex am Ende zusammengeführt

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marcello Avatar

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Katrine Engberg ist eine Krimiautorin, die mir namentlich durchaus schon mal begegnet ist, zumindest kommen mir einige Cover ihrer Bücher sehr vertraut vor, aber komplett ohne Kontext hätte ich sie nie einordnen können. Nun ist Herbst, es wird wieder früher dunkel, eine ganz andere Atmosphäre und da Krimis bei mir doch etwas ins Hintertreffen geraten sind, merke ich doch vermehrt, dass es eine Frage der Jahreszeit ist, dass ich wieder richtig Lust auf Krimis bzw. Thriller habe. Da kommt Engberg mit ihrer neuen Reihe zu Liv Jensen genau recht.

Ich habe „Glutspur“ als Hörbuch konsumiert und der Sprecher ist Peter Lontzek. Ich war erst etwas überrascht, weil ich zuletzt bei den Hörbüchern vermehrt den Eindruck hatte, dass sich je nach Perspektive um das jeweilige Geschlecht bei den Stimmen bemüht wird. Hier haben wir zwei Frauenperspektiven und eine Männerperspektive, da hätte ich intuitiv eine Frauenstimme erwartet. Aber meckern will ich deswegen wahrlich nicht, denn ich kenne Peter Lontzek vor allem als Synchronsprecher, beispielsweise als Stimme von Tom Hiddleston als Loki, sowie aus vielen Serien und Filmen und ich denke, da braucht man mehr nicht mehr zu sagen, die sind nicht ohne Grund in diesem Job, denn er hat wirklich eine schöne, volltönige Stimme, die vor allem auf so ein Genre wirklich gut passt. Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass er sich für Frauenstimmen unangenehm verstellt. Zwar brauchte ich dadurch an einem neuen Kapitelanfang immer erst, dass mal der Name der aktuellen Perspektive genannt werden musste, um mich zu orientieren. Da das aber spätestens im zweiten Satz immer der Fall war, fand ich das auch nicht kritikwürdig.

Kommen wir nun aber zum eigentlichen Krimi. Perspektiven in Krimis sind immer so eine Sache. Ich habe gerne mehrere in diesem Genre und weil neben Liv ja auch Hannah und Nima als weitere Perspektiven schon im Klappentext genannt waren, war ich dementsprechend natürlich gespannt, wie sich die Geschichte mit ihnen entwickelt. Liv ist sicherlich unumstritten. Sie gibt der Reihe ihren Namen und sie leistet auch das, was ich für dieses Genre als üblich finde. Auch wenn sie als Privatermittlerin tätig ist und damit nicht so viele Befugnisse wie die Polizei hat, sie ist emsig, sie ist mutig, sie ist wirklich wie ein Hund mit dem Knochen und beißt sich fest, was ich als sehr positiv empfunden habe. Hannah und Nima sind dagegen ganz eindeutig die Nebenrollen in einer Art und Weise. Hannah geht auch Spuren nach, indem sie eben mehr über den letzten Geisteszustand ihres Bruders Daniel rausfinden will, nachdem dieser Selbstmord begangen hat. Aber im Vergleich zu Liv war das wenig konkret, weniger bissig und hat mich dementsprechend auch nicht so sehr mitgerissen. Nima ermittelt gar nicht, er gerät selbst unter Verdacht. Seine Perspektive fand ich da als Abwechslung sogar spannender als die von Hannah, denn bei ihm wurde es so gestaltet, dass man manchmal doch dachte, ist er ein Mörder? Hat er das Potenzial? So mysteriös wurde er gestaltet. Aber da eben vermittelt worden war, dass alle drei Geschichten miteinander zu tun haben, sah ich immer nur, wie es weniger Prozent wurden und wir schienen von einer Lösung weit weg. Dementsprechend muss ich wirklich den Hut ziehen, denn am Ende hat sich tatsächlich noch alles zusammengefügt und einen komplexen Krimi bestätigt.

Auch wenn mir das zeigt, dass Engberg ihr Handwerk in diesem Genre also eindeutig versteht, so würde ich doch auch sagen, dass der Weg dorthin noch verbessert werden kann. Denn es war zwischendurch manchmal etwas zäh, gerade eben die Perspektive von Hannah, die ich wirklich gerne mehr gemochte hätte, weil ich eigentlich keine Zweifel habe, dass sie ein guter Mensch ist. Auch die Gedankenschleifen von Nima waren manchmal zu wiederholend, aber bei ihm mochte ich eben die Perspektive als Flüchtling. Liv dagegen ist wirklich vielversprechend gelungen. Es gibt schon genug Andeutungen, warum sie von ihrem Job als Polizistin zunächst Abstand genommen hat, aber genauso ist offensichtlich, dass das wahrscheinlich erst im zweiten Band richtig zur Geltung kommt. Aber auch so wird es viel zu ihr zu entdecken geben, denn so wie sie sich alleine durchgekämpft hat, würde es mich auch nicht wundern, wenn sie wieder integriert auf einem Revier dennoch eine Einzelkämpferin bleibt. Einen Kritikpunkt habe ich noch, weil mir die Beobachtung immer wieder kam. Die Kapitel enden oft in Momenten, die sich ‚mittendrin‘ anfühlen. Viele Thrillerautoren arbeiten ähnlich, setzen dann im nächsten Kapitel dort aber unmittelbar wieder an, um die Spannung weiter fortzutragen. Das war hier gar nicht. Gerade bei Liv und Hannah gab es mehrere Situationen, wo sie in unangenehmen oder angespannten Gesprächen steckten, Cut und wenn sie wieder auftauchen, hat es sich wie magisch gelöst. Das fand ich etwas seltsam, weil es so manchmal unfertig wirkte.

Fazit: Mit „Glutspur“ habe ich einen guten ersten Eindruck von Katrine Engberg bekommen, denn komplexe Krimis schreiben, das kann sie offenbar. Drei teilweise zusammenhanglos erscheinende Teilgeschichten am Ende so geschickt zusammenzuführen, das hat schon was. Dennoch gibt es paar Längen durch die verschiedenen Perspektiven und manche Kapitel wirkten am spannendsten Punkt abgehackt. Dennoch sicherlich eine Reihe, die ich weiterverfolgen werde.