Vielversprechende neue Kopenhagen-Serie

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evaczyk Avatar

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Katrine Engberg war mir schon durch ihre im Diogenes Verlag veröffentlichten Kopenhagen Krimis ein Begriff. Nun gibt es wohl einen neuen Verlag - und mit "Glutspur" den ersten Band einer neuen Serie um die Privatdetektivin Liv Jensen, die nicht nur versucht, in der Branche Fuß zu fassen und in der dänischen Hauptstadt heimisch zu werden - sie arbeitet auch auf eine Rückkehr in den Polizeidienst hin.

Bis die Leser Liv kennenlernen, dauert es allerdings eine Weile, denn gleich mehrere Erzählstränge werden eingeführt sowie Personen, die auch künftig eine Rolle spielen könnten. Da ist der Selbstmord eines Mannes, der sich als der Sohn von Livs künftigen Vermieter herausstellen wird. Der unter einer bipolaren Störung leidende Mann befand sich wegen des Mordes an seiner Ex-Frau in der forensischen Psychiatrie. Erst Monate nach dem Selbstmord wird bei der Renovierung seines Zimmers bekannt, dass er hinter einer Schrankwand Botschaften in einer ausgestorbenen Sprache hinterlassen hat. Seine Schwester, ebenfalls Psychiaterin, versucht herauszufnden, was sich in den letzten Monaten im Leben ihres Bruders ereignete.

Dann ist da noch der Automechaniker Nima, der seine Werkstatt auf dem Grundstück betreibt, auf dem Liv leben wird. Seine Ex-Freundin wird ermordet aufgefunden, und Nima, der als Junge mit seiner Mutter und seiner Schwester aus dem Iran geflohen ist, gerät unter Mordverdacht.

Als Liv für ihren alten Chef und Mentor Ermittlungen in einem anderen Fall anstellt, muss sie sich einerseits einem eigenen Trauma stellen, stößt aber auch auf Spuren in dem anderen Mordfall, die bisher niemand auf dem Schirm hatte.

Und als wäre das nicht schon genug mit Erzählsträngen und Figuren, die hier zusammenfinden müssen gibt es noch einen weiteren Handlungsstrang in der Vergangenheit, zur Zeit der deutschen Besatzung Dänemarks im Zweiten Weltkrieg und verfolgten jüdischen Familien, die sich verstecken müssen, um der Deportation zu entgehen. Es geht um Fragen der Moral, um Kollaboration und Widerstand. Eine Vergangenheit, die schließlich auch Bezüge zur Gegenwart herstellen wird. Erst im Lauf des Lesens wird klar, dass "Glutspur" von der Bedeutung her auch auf den Holocaust hinweist.

Engberg schafft es, das alles am Ende schlüssig und eingängig zusammen zu fügen. Es kommt allerdings recht geballt zusammen, was sich möglicherweise in Folgebänden dann noch weiter vertiefen wird - und da gibt es ganz unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. Möglich, dass sich die Autorin hier verschiedene Optionen offen halten wollte, aber es wird doch ziemlich zwischen den verschiedenen Figure n und Erzählsträngen gesprungen und ist zunächst noch nicht ganz klar, wer außer Liv auch künftig eine feste Größe in weiteren Bänden der Reihe sein wird.

Davon abgesehen hat Engberg einen intelligenten und spannenden Plot mit dichter Atmosphäre und einem bildhaften, aber auch zurückgenommenen Schreibstil verbunden. Mit der jungen Privatdetektivin hat sie eine diverse Protagonistin gefunden, die tough und sensibel ist. die sich gegen Widerstände behaupten muss und gegen eigene Dämonen kämpft. Auch die Menschen in ihrem Umfeld werden als komplexe Charaktere geschildert. Noch ist hier vieles im Fluss, aber ich bin jetzt schon neugierig auf den Folgeband. Der Begriff Scandinavia Cool passt jedenfalls auch auf Katrine Engberg.