Sklaverei mitten in Deutschland

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
jenvo82 Avatar

Von

Mitten in Deutschland gibt es vier Reservate, die ganz unscheinbar als militärisches Sperrgebiet ausgewiesen sind, so dass an ihren Rändern die Übungstruppen der Bundeswehr ihren Dienst verrichten, ansonsten aber niemand das Gebiet betritt. Dort verbirgt sich das Herrschaftsgebiet einer ominösen Sekte, die bereits seit Jahrzehnten Menschen zur modernen Sklaverei verdammt. Mit ihren Helikoptern kommen sie als "Götter" getarnt zu ihren Vasallen und versorgen sie mit den nötigsten Gütern, um im Gegenzug die handwerklichen Erzeugnisse der Reservatsbewohner abzuholen, um diese gewinnbringend zu verkaufen. Doch es kommt noch schlimmer. Männer und Frauen werden getrennt gehalten und sexuell ausgebeutet. Die Frauen werden unter dem Deckmantel der "Göttlichkeit" zu Gebärmaschinen verdammt. Sie erhalten eine Betäubung und werden vergewaltigt - die Kinder verbleiben im jeweils geschlechtsspezifischen Arreal. Eines Tages gelingt es zwei Reservatsbewohnern unabhängig voneinander ihre Gruppe zu verlassen und sich ein Leben in der Wildnis aufzubauen. Als sie sich durch Zufall kennenlernen, entlarven sie nach und nach die Lügen ihres bisherigen Lebens und schwören ihren Peinigern Rache ...
Dieser Roman wartet mit einer ungeahnt interessanten Thematik auf, vor allen weil er in der Gegenwart spielt und damit an die Vorstellungskraft der Leser appelliert. Könnte derartiges heute noch geschehen? Wie gut kennen wir das Land, in dem wir leben? Und decken die Medien nicht jeden Tag ein weiteres dunkles Kapitel auf, von dem wir bisher nicht glaubten, dass es etwas überhaupt existieren könnte? Deshalb regt die Geschichte auch zum Nachdenken an und zeigt gleichzeitig wie schmal der Grat zwischen Unvorstellbarkeit und Realität sein kann.

Die Protagonisten des Buches agieren stellenweise wie Kinder, weil sie sich alles selbst aneignen müssen und jede Entdeckung grenzt für sie an ein Wunder. Ihr Überleben in der Wildnis hängt weitestgehend von ihrer Fähigkeit ab, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben und die momentane Situation bestmöglich zu bewältigen. Reduziert auf ihre Lebensbedürfnisse dauert es mehrere Jahre, bis sie den Schritt in die Unabhängigkeit wagen und sich den "normalen" Menschen zu erkennen geben. Die Ausarbeitung dieser hochexplosiven Thematik könnte mich dennoch nicht restlos überzeugen, zum einen weil das Leben in der Wildnis und die Eroberung unseres Wissenstandes für jene Unwissenden im Zentrum der Geschichte stehen. Zum anderen, weil es keine klare Struktur gibt, die agierenden Personen abrupt wechseln und neue auftauchen, die erst viel später wieder von Bedeutung sind. Der Lesefluss wurde dadurch stellenweise getrübt. Die Längen im Mittelteil werden dann wieder durch ein spannendes Ende wettgemacht, welches alle Handlungsstränge aufnimmt und folgerichtig zusammenführt. So manche Überraschung findet sich auf den letzten Seiten ...

Fazit: Ich vergebe 3 Lesesterne für diesen genreübergreifenden Roman, mit spektakulären Handlungsansätzen und menschlichen Unglaublichkeiten. Mir hat vor allem die Idee hinter der Geschichte gefallen, während mich die Erzählung zwar unterhalten, aber nicht ganz fesseln konnte.