Tolle Idee aber schlechte Umsetzung

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mary_hale Avatar

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Das Buch handelt von einer Gruppe von Menschen, die aus verschiedenen Reservaten geflohen sind und nun im Wald wohnen. Die Gruppe setzt sich erst nach und nach zusammen und irgendwann wird ihnen klar, dass man sie in dem Reservat absichtlich gehalten und alles was ihnen erzählt wurde eine Lüge ist.
Der Schreibstil des Buches ist sehr gewöhnungsbedürftig. Eigentlich ist es total schwer den Dialekt flüssig zu lesen, den ich im Übrigen eigentlich unnötig finde. Trotz allem lässt sich das Buch schnell lesen. Der Erzähler stellt Situationen teilweise so dar, dass es wie aus der Sicht einzelner Figuren wirkt. dies kann schön sein, wenn mann es gut macht, aber meiner Meinung nach ist das hier nicht der Fall. Satzbau und Ausdrucksweise sorgen bei mir für Unverständnis bestimmter Szenen. Die indirekte Rede hat der Autor gut eingebracht. Die wörtliche Rede hat den Dialekt und man merkt, dass der Erzähler genau die gleiche Sprache verwendet. Es wäre eventuell besser eine sprachliche Differenzierung zwischen wörtlicher Rede und dem restlichen Text zu schaffen.
Ein riesiges Problem ist meiner Meinung nach die schlechte Beschreibung der Gefühle. In so vielen Situationen, grade auch am Ende, als jemand stirbt, könnte man super auf die Gefühlslage eingehen, aber das wird in diesem Buch stark vernachlässigt. dadurch ergibt sich auch das Problem, dass ich mit den Charakteren überhaupt nicht warm geworden bin. Ich muss sagen, dass mich zuvor genannter Tot total kaltgelassen hat, da man eigentlich nichts über die Personen wusste. Man kannte Beruf, Freunde etc. aber man wusste nicht wie sie in bestimmten Situationen reagieren oder wie wichtig ihnen bestimmte Dinge waren. Das sind für mich Faktoren, die man über Protagonisten wissen sollte. Clemens war der einzige der mir sympathisch wurde, aber das auch erst auf den letzten 50 Seiten.
Die Abschnitte, die immer wieder auftauchen, wenn von Agnes zu Clemens gesprungen wird, finde ich zwar eine gute Idee, aber teilweise sind die Ende der "Kapitel" schlecht gewählt. Am Anfang sind zudem deutlich zu viele wechsel zwischen den Figuren, da man schnell verwirrt ist. Es tauchen willkürlich ohne jede Einleitung Menschen auf und man ist etwas überfordert. Nach einigen Seiten des "Einlesens" gewöhnt man sich aber daran.
Die Zeit ist etwas, dass mir auch verwirrend erschien. Es gibt immer wieder Zeitsprünge, die nicht eingeleitet werden und man hat keine Ahnung wie viel Zeit vergangen ist. Man bekommt manchmal gar nicht richtig mit, dass so viel Zeit vergangen ist und wenn es mitten im Kapitel erwähnt wird erschreckt man sich, dass schon 10 Jahre vergangen sind.
Die Geschichte finde ich von der Idee her sehr lobenswert. Ich habe am Anfang sehr geschätzt,dass die Geschichte auf ihre Weise realistisch war. natürlich ist es eine erfundene Geschichte, aber es ist toll wenn fiktionale Texte real erscheinen und man sich selbst fragt was wäre wenn es tatsächlich soetwas gäbe. Deshalb störte es mich wahrscheinlich auch, wie unrealistisch die Geschichte später wird. Es geschieht einfach ein Zufall nach dem anderen. Dies sind auch teilweise keine Kleinigkeiten, sondern Sachen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:10000.
Immer wieder treten Sachen auf die mich stören. Das sind zwar oft Kleinigkeiten, die sich aber extrem anhäufen. Beispielsweise werden Dinge wiederholt genannt, zum Beispiel, dass Agnes gut im Feuer machen ist. Außerdem bleiben Mysterien, die im Buch auftreten ungeklärt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass gesagt wurde was mit den Leichen passierte, die aus dem Reservat geschafft wurden und dann immer verschwinden. Vermuten würde man die Götter holen sie ab, dann frage ich mich aber warum diese sich nicht gewundert haben Agnes Leiche nicht zu haben, obwohl sie von ihrem Tot wussten. Dazu kommt, dass in einer Szene zwischen zwei Personen (unter denen definitiv nicht Agnes war) Agnes Name fällt. Also so als ob sie da wär und dann wird doch mit "er" weitergeredet. Da hat man wohl den Falschen Namen angegeben. Solche Fehler fielen mir massenhaft auf. Auch wird in einer Szene vom Erzähler einfach "unsere Gruppe" gesagt. Die Sache mit Agnes und dem Alphabet fand ich auch verwirrend, da man meiner Überlegung nach ohne Können von Lesen und Schreiben nicht weiß wo ein Buchstabe aufhört und anfängt und B niemals als "Be" sondern als "Bö" ausspricht, da man es so ja auch in Wörtern liest. Gegenstände sind oft zu lange beschrieben. Der Leser kennt die Gegenstände oder Tiere und es wird nicht abwechslungsreicher, wenn eine halbe Seite lang eine Zeige beschrieben wird.
Positiv hervorheben sollte man vielleicht die Diskussion über das Verbrechen und die Folgen für die Götter, da diese wieder realistisch wirkt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Buch unglaubliches Potential hätte, wenn man es sprachlich anders entfalten würde und die Kleinigkeiten nicht wären, die eigentlich wirklich Kleinigkeiten sind, aber hier einfach schwerwiegend und auch auffällig sind. Es ist schade, da das Buch gut zu lesen ist, aber immer wieder negative Aspekte auftreten.