Konnte nie seine Magie entfalten

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marcello Avatar

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Manchmal wundert man sich ja wirklich, was einen zum einem Buch gezogen hat, vor allem, wenn man die Buchdeckel sehr enttäuscht wieder schließt. Für mich war es wohl definitiv das tolle Cover, das den Titel mit seiner Farbgebung sehr schön aufgegriffen hat. Der Klappentext war sehr minimalistisch und dabei auch sehr stereotyp, aber das hat mich nicht abschrecken können. Aber ich kann auch versichern, dass mich das Buch nicht aus dem Grund nicht überzeugt hat, dass es zu stereotyp war, sondern weil es schlicht in den meisten Belangen zu wenig angeboten hat.

Man wird regelrecht in die Geschichte hineingeworfen. In zwei Kapiteln passiert unheimlich viel und es werden einem so viele Informationen an den Kopf geknallt, dass es bei mir regelrecht dampfte. Zudem war aber auch das Problem, dass sie Informationen keinen Zusammenhang zu haben schienen, denn es fiel mir unheimlich schwer, dadurch das World Building nachzuvollziehen. Wer ist jetzt wer? Was ist Lichtwelt, was Dunkelwelt? Wie genau funktioniert die Magie? Soll ich mir die Welt eher mittelalterlich oder doch eher futuristisch vorstellen? All diese Dinge schwirrten mir ständig durch den Kopf, aber Antworten gab es keine. Im dritten Kapitel dann plötzlich nimmt sich die Protagonistin, die als Erzählstimme fungiert, Zeit, um den LeserInnen einiges zu erklären. Für mich war es an dieser Stelle aber schon zu spät, ich war bereits zu sehr genervt. Ob es nun daran lag oder ob es tatsächlich so war, auch die Erklärungen haben das Bild nicht viel klarer gemacht. Auch mit Beendigung der Geschichte habe ich noch kaum einen Schimmer, wie das Ganze jetzt in meinem Kopf aussehen müsste.

Ein weiteres großes Problem hatte ich mit der Protagonistin, Lucie. Mir ist vor allem säuerlich aufgestoßen, als die Autorin im Nachwort verriet, dass sie sich von einer Geschichte von Charles Dickens inspiriert fühlte und vor allem die starke Protagonistin nachempfinden wollte. Wo aber bitte war diese starke Protagonistin? Im ganzen Buch hat sie eine starke Szene gehabt und die wurde uns auch nur im Rückblick erzählt. Natürlich will ich ihr Empathie nicht absprechen, aber ansonsten war sie vor allem Spielball, ohne eigene Meinung. Ich fand es sehr ernüchternd, dass sowas als starke Protagonistin gelten soll.

Auch bei den restlichen Figuren wollte der Funke nie überspringen. Als spannende Ausgangslage empfand ich eigentlich die Gegenüberstellung der beiden Doppelgänger, wie konträr sie erst wirken sollen, um sich dann immer mehr aneinander anzunähern. Aber die einzelnen Entwicklungen waren entweder zu abrupt oder nicht nachvollziehbar. Auch die beiden Antagonisten haben viel zu wenig Profil bekommen. Menschlich waren sie dieselben Personen, aber sie konnten dennoch nie die Wucht entfalten, die ich mir von einer Hassfigur erhoffe. Hinzu kommt, dass auch keine Spannung aufkommen wollte, da sich die Autorin oftmals in ellenlangen Gedankengängen verloren hat und dabei die eigentliche Action aus dem Blick verloren hat. Das Ende kommt sehr abrupt und mir ist nicht klar, ob es hier weitergehen soll. Für mich wäre an dieser Stelle aber bereits klar, dass es das gewesen ist, denn ich habe keinen Aspekt gesehen, den ich gerne weiterergründen wollen würde.

Fazit: Dieses Jugendbuch hat es leider zu keinem Zeitpunkt geschafft, dass ich mich in der dargebotenen Welt einfinden und mich mit den Charakteren identifizieren konnte. An allen Ecken gab es zu wenig Informationen oder zu überhastete Entwicklungen. Der Schreibstil ist zwar vom Prinzip her sehr schön, aber er verliert sich auf Dauer in zu vielen Gedankengängen anstatt in spannenden Handlungen. Ich warne, sich von dem tollen Cover nicht verführen zu lassen, lieber Finger weg.