Zeitstudie mit Schwächen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
evelyn Avatar

Von

Die zwei Protagonisten werden nahezu zeitgleich geboren.
Anton Bluhm wird in gehobene Kreise hineingeboren, als sein Vater einem Betrüger auf den Leim geht verarmt die Familie und der Sohn nimmt sich für sein leben vor, sich auf seinen Verstand zu verlassen und alles kritisch zu überdenken was er sieht und erlebt. Dies spiegelt sich in seiner kritischen Verhaltensweise gegenüber dem Nationalsozialismus, seiner "Verweigerung" des Frontdienstes und später in seiner kritischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus und der Judenvernichtung (Nazigold) wider. Er ist ein konsequenter Mensch, der zu seinen Überzeugungen steht. Auch den Zukunftsvisionen seiner Söhne steht er skeptisch gegenüber, sie hält er eher für Träumer.
Franz Münzer Sohn eines Betrügers, Aufsteigers und deshalb auf Geld fixierten Mannes, wird von seinem dominanten Vater manipuliert. Er wird zum gutgläubigen, manipulierbaren Mitläufer erzogen, der nach Anerkennung lechzt und sich nicht mit seinen Fehlern (Francesco) oder den Fehlern seines Vaters auseinander setzt.
Gut werden hier zwei kontroverse Verhaltensweisen gegenüber dem Nationalsozialismus, im Krieg und in der Aufarbeitungszeit dargestellt. Manchmal leider etwas zu einfach in schwarz-weiß-Malerei; wobei man sicher die Verweigerung des Frontdienstes von Anton kritisch sehen kann, da ja statt ihm vielleicht ein anderer weniger cleverer Soldat sein Leben lassen musste.
Antons junge Frau Sissi, dient als Vermittler zwischen der Kriegs-/Nachkriegsgeneration und den Studentenprotesten der 60iger, mit ihrer Hilfe will er die Jugend verstehen und Teilhaber an der Zukunft werden. Jedoch gelingt ihm dies meiner Ansicht nach nicht, er bleibt in der Beobachterrolle stecken, weil die Nachfolgegeneration, den vorangegangenen Generationen die Schuld für die Kriegs- bzw. Naziverbrechen gibt; bzw. ihnen vorwirft diese Verbrechen nicht aufgeklärt zu haben, sondern den Verbrechern einen Neustart ermöglicht zu haben.
Abschließend lässt sich sagen, dass der Roman eine vor allem in den ersten zwei Kapiteln gut geglückte Zeitstudie ist, wobei die Autorin in meinen Augen später etwas den roten Faden verliert und zuviel in diesen einen Roman hineinpacken will und deshalb leider zu oberflächlich bleibt. Aus den Studentenrevolutionen und dem Datum 11.9 hätte man mehr machen können, vielleicht sogar einen zweiten Teil schreiben können. Hier wird die Position des kritischen Anton nicht genügend herausgearbeitet.
Als Fazit des Buches könnte man wohl sehen, dass man wie Franz immer wieder von seinen alten Sünden eingeholt wird, in seinem Fall wird er durch einen Unfall mit seinem von ihm nicht anerkannten Sohnes zum Krüppel und schließlich ruiniert dieser sogar sein Familienunternehmen. Leider wird die Konfrontation von Francesco mit seinen Halbschwestern zwar angekündigt aber nicht ausgeführt.
Aus den guten Ansätzen des Romanes wurde leider zu wenig gemacht, hatte hier die Autorin nicht den Mut einen 2-Teiler zu schreiben? Schade.

Sprachlich ist der Roman gut geglückt, lässt sich leicht lesen und wird durch die zeitliche Kapiteleinteilung gut strukturiert. Hilfreich sind die im Buchdeckel befindlichen Zeitübersichten.
Auch das grau gehaltene Buchcover, das sehr nüchtern wirkt ist gut geglückt und soll einen seriösen Eindruck vermitteln.