Berlin, 1931.

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
waldmeisterin Avatar

Von

Zuerst einmal vorweg: Die Leseprobe hatte mir so gut gefallen, dass ich mir erstmal die beiden Vorgänger gekauft und gelesen habe, deshalb hat es mit der Rezi diesmal etwas länger gedauert.

Berlin, 1931: Die beiden obdachlosen Jugendlichen Benny und Alex (ein Mädchen) haben eine neue Methode gefunden, um an Kohle zu kommen: sie lassen sich über Nacht in den diversen Kaufhäusern einschließen und rauben dort Schmuck und Uhren. Bis einmal alles schiefgeht. Im KaDeWe werden sie entdeckt. Alex kann gerade noch so eben entkommen, Benny stürzt von einer Brüstung in den Tod. Dumm nur, dass sie kurz darauf beim Schwarzfahren erwischt wird und von Fräulein Charlotte Ritter, zukünftige Kriminalanwärterin und Fast-Verlobte von Gereon Rath, verhört wird.

Derweil droht in Berlin ein Bandenkrieg auszubrechen: Der Anführer der 'Nordpiraten' wurde kürzlich aus dem Gefängnis entlassen und will seine "Marktanteile", die sich die 'Berolina' einverleibt hat, zurückholen. Dann aber werden von beiden Ringvereinen hohe Tiere vermisst (und später tot aufgefunden) und jeder der beiden hat natürlich den jweils anderen Verein im Verdacht. Die Situation droht zu eskalieren. Oder trägt vielleicht doch der seit kurzem in der Stadt weilende Abraham Goldstein, ein jüdischer Gangster aus New York, die Schuld an den verschiedenen Morden, die sich zwischenzeitlich im Stadtgebiet ereignet haben? Denn der ist seiner Überwachung bereits am zweiten Tag entkommen, und seine erste Amtshandlung als "freier Berliner" war, sich eine Waffe zuzulegen...

Gereon Rath ermittelt. Wie immer ohne Pomp und Trara. Sprich: ohne all den "neumodischen Firlefanz". Er muss ohne DNA-Analyse auskommen und selbst eine Fahrzeughalterzuordnung wird vom zuständigen Beamten per Hand gemacht und dauert Stunden... Erfrischend, dass die Auflösung eines Falls mal nicht an einem verlorenen Haar festgemacht wird/werden kann. Ja, Volker Kutschers Krimis leben nicht von dem allgemeinen Hype, noch blutiger, noch grausiger, noch schockierender sein zu müssen. Sie leben vielmehr davon, dass der Autor ein Bild der Zeit damals zeichnet - und das ist ihm gelungen (ich musste öfters mal an James Ellroy denken, bei Volker Kutscher ist die Handlung jedoch -glücklicherweise- kompakter). Man lebt direkt mit den Protagonisten in Berlin. Und ich freue mich schon darauf, in den folgenden Bänden nach Berlin "zurückkehren" zu können! Sehr treffend fand ich auch, dass es eben nicht nur "Gute" und "Böse" gibt, sondern dass Gereon (und diesmal auch die gute Charly) öfters knapp an der Grenze zur Legalität agiert - und manchmal auch darüber hinausschiesst, was ihm aber selbst nicht so ganz geheuer ist. Die Welt ist eben nicht nur schwarz/weiss.

Fazit: Ein gelungenes Zeitportrait gekoppelt mit mehreren Handlungssträngen, das sich ganz sicher von dem heutzutage üblichen Schockern abhebt - im positiven Sinne. Eine Geschichte, die ein bisschen Zeit braucht, aber dafür auch ganz bestimmt länger nachhallt!

die Waldmeisterin