Zu viele Liebesgeschichten, zu wenig Anekdoten

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rebekka Avatar

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Ich habe mit großer Begeisterung die Fernsehserie „The West Wing“ gesehen, in der es um einen großartigen, aber leider fiktiven amerikanischen Präsidenten und seine Mitarbeiter ging. Deshalb habe ich sofort und mit Begeisterung zu diesem Buch gegriffen.

Leider legte sich die Begeisterung schon bald. Anstelle eines Einblicks in die Arbeit und die kleinen Winkelzüge der Politik im Weißen Haus, lieferte Beck Dorey-Stein vor allem Einblicke in ihr verworrenes Liebesleben. Obwohl sie einen gut lesbaren, flüssigen und auch witzigen Schreibstil hat, hatte ihr Buch für mich zu viel von dem einen und zu wenig von dem anderen: Zu viel nichtssagende Lobhudelei für die netten Kollegen, die ihr (bis auf eine Ausnahme) alle freundlich entgegen kamen, zu viel Liebesfreud und Liebesleid, zu viel nächtliche Sauforgien in Hotelbars. Andererseits wiederum zu wenig Auskünfte über die Arbeit einer Stenographin (inklusive Pleiten, Pech und Pannen), zu wenig Anekdoten von Barrack Obama und seiner Entourage, zu wenig Einzelheiten über Erfolge und Scheitern seiner Politik. Wer so nah an den Schalthebeln der Macht arbeitet, ständig mit der Air Force One in alle Welt fliegt und neben dem mächtigsten Mann der Erde auf dem Laufband schwitzt, sollte mehr zu erzählen haben als belanglose Gespräche mit Freundinnen und das Hin und Her einer unsäglichen Liebesgeschichte – auch wenn es natürlich Geheimhaltungsvorschriften gibt.

Erst im letzten Drittel des Buches bringt die Autorin Dinge zur Sprache, die für den Leser und die Leserin wirklich relevant sind. Und man versteht, wieso sie diesen integren 44. Präsidenten der USA so sehr schätzt. Nur hätte ich gern noch gewusst, wie es zu ihrem offenbar überraschenden Abschied vom Weißen Haus kam. Der kryptische Satz: „Als ich das letzte Mal das Weiße Haus betrete, weiß ich nicht, dass es das letzte Mal ist“ hat mich neugierig gemacht: Was ist an diesem Tag passiert? Und noch etwas wüsste ich gern: Hat Beck Dorey-Stein noch einmal irgendwo eine neue Stelle bekommen? Oder hat sie mit diesem Bestseller so viel verdient, dass sie keine neue Arbeit mehr annehmen muss?