Gottes leere Hand

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silbernenadel Avatar

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Manuel ist Wissenschaftsjournalist und wurde mit der Glasknochenkrankheit geboren. Zeit seines Lebens war er unzählige Male im Krankenhaus, unzählige Male auf Intensivstationen, unzählige Male an Beatmungsgeräten und er weiß, daß er dort nie wieder hinmöchte.Nach einer akuten Atemkrise, die er nur durch die schnelle Hilfe seines Freundes Lothar und den herbeigerufenen Notarzt überlebt, muß er jedoch wieder in ein Krankenhaus und damit in die Mühle, in die er nie mehr wollte.

Doch hier lernt er Dagmar kennen, einen Krankenschwester, die ihn an seine tote große Liebe erinnert. Dagmar träumt davon ein Leben mit der Natur zu führen, sie ist unglücklich in einen verheirateten Mann verliebt, der einen Biobauernhof leitet und Reitstunden gibt und sie ist auch nicht zufrieden mit ihrem Beruf bzw. damit, wie sie ihn ausführen muß. Sie wünscht sich Zeit für ihre Patienten, Zeit mit ihnen zu reden und sie so zu pflegen, wie es sein sollte und nicht wie es durch Rationalisierungsmaßnahmen und ständige Sparzwänge gezwungen ist zu tun.

Und da ist dann noch Wendelin Weihrauch, ein alter Mann, der auf der gleichen Station liegt wie Manuel, der jedem verwirrt erscheint, nur nicht den wenigen Menschen, die er mit Namen benennen kann. Denen bringt er Ruhe und Frieden und dann spricht er auch klar, gütig und sanftmütig.......................

Doch das ist nur der äußere Rahmen, denn es geht hier um Lebensqualität und unsere Einstellung zu Leben und Tod, zu Krankheit und Gesundheit. Manuel begreift sich nicht als behindert; durch seine Lenora hatte er gelernt sich selbst zu lieben, mit dem Körper, der ihm gegeben wurde und nicht gegen seine Krankenheit zu leben sondern mit ihr und sie anzunehmen, so schwer das auch ist. Er will nicht nur als Behinderter angesehen werden, er will das Mitleid in den Augen anderer nicht und es kränkt ihn sehr zu erleben, daß auch sein bester Freund Lothar ihn nur als Behinderten wahrnimmt und nicht als den Manuel, als den er sich empfindet und sieht.

Lothar will nicht wahrhaben, daß Manuel nicht mehr lange leben wird. Er wird wütend und kämpft und schließlich akzeptiert er die Entscheidung seines Freundes den Kampf nicht kämpfen zu wollen und zu gehen, so schwer es ihm auch fällt. Als er loslassen kann, scheint sich auch ihn ihm etwas zu wandeln.

Herr Weihrauch begreift den Tod als Geschenk der Verwandlung und nicht als finale Katastrophe, als Übergang und nicht als absoluten Schlußpunkt und steht damit im großen Kontrast zu den Ärzten dieses Krankenhauses, die Krankheit und Tod zu bekämpfen scheinen, sie jedoch vor allem verwalten. In ebensolch großem Gegensatz steht auch ein alter Mönch, der auch mit Manuel das Zimmer teilt, der große Angst vor Krankheit und Tod hat und zwischen Hypochondrie und Hysterie hin- und herschwankt.

Dagmar kommt im Gespräch mit einer schwerstkranken Patientin zu der Einsicht, daß es so für sie nicht mehr weitergehen kann und sie macht sich ernsthafte Gedanken, was sie mit ihrem Leben weiterhin anfangen soll. Sie überlegt, sich um eine Stelle in einem Hospiz zu bemühen, auch wenn ihre Erfahrungen während eines Praktikums nicht rundherum positiv waren, so weiß sie doch, daß sie dort mehr Zeit hätte für ihre Patienten und sich wirklich um sie kümmern könnte. Aber ganz zu Ende des Romans findet sich für sie dann doch noch eine wirklich gute, wenn auch etwas überraschende Möglichkeit ihr Leben neu zu gestalten und aus dem krankmachenden System auszubrechen.

Ein Roman, den ich sehr gerne gelesen habe, weil er sich glaubhaft und nachvollziehbar mit Menschen und ihren Sorgen, Nöten und Zwängen beschäftigt, der schwierigen Fragen nicht ausweicht und sich fragt wie wir mit unserem Leben, mit Lebensqualität, Krankheit und Tod umgehen. Ein Roman, der die Menschenverachtung und Herzlosigkeit unsers Gesundheitssystems klar umreißt und sich durch glaubhafte Charaktere auszeichnet.