Gottes leere Hand - Marianne Efinger

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Als ich die Leseprobe zu dem Buch "Gottes leere Hand" geschrieben von der deutschen Krankenschwester Marianne Efinger las, war ich mir sehr unsicher, was ich von diesem Buch halten soll, ob ich es überhaupt wirklich lesen will.
Geschrieben im Präsens zeigt es uns ganz nüchtern den Alltag auf einer Inneren Station eines durchschnittlichen Krankenhauses in Deutschland.
Ganz ohne Sentimantalität berichtet die Autorin von verschiedenen Patienten und deren Hintergrund, die auf dieser Inneren Station landen, ob sie nun krankheitsbedingt dahin passen oder nicht. Im Notfalldienst wird aufgenommen, was auf die Station passt, Betten werden in Badezimmer, Flurnischen und in überfüllte Zimmer gepresst. Ob die unterbesetzte Pflegedienstabteilung damit zurecht kommt oder nicht, es ist auch der Ehrgeiz der Stationsärzte, interessante Fälle dem Professor bei der Chefvisite zu zeigen.
So landet der behinderte Manuel Jäger nach einem nächtlichen Atemstillstand auf der Inneren Station, die auf seine Behinderung weder vorbereitet ist noch damit Erfahrung hat.
Es zeigt uns aber auch die Arbeitsweise der Ärzte, die Hilflosigkeit und Ängste, der Mangel an Bestätigung, dauerhafte Überarbeitung, das Tragen der Verantwortung für alles, was auf den Stationen geschieht, die darin gipfelt, dass man Fehler nicht mehr eingesteht, sich hinter Statistiken vergräbt und mehr mit persönlichen Fortbildungen und Engagemants ausserhalb der Klinik beschäftigt ist, als mit den Patienten der eigenen Station.
Ganz schlimm die Unfähigkeit auf Fragen der Patienten einzugehen, Kritik anzunehmen und für persönliche Missgeschicke, sei es mangelndes Wissen, gerade zu stehen.
Manchmal möchte man mit der Faust ins Buch schlagen und schreien. Manchmal hat man den Eindruck, keine Minute darf dieser Zustand so weitergeführt werden.
Ich selbst habe jahrelang als Sonderwache in einem riesigen Universitätsklinikum Dienst getan auf allen erdenklichen Stationen.
Vieles habe ich hier wiedererkannt, erstaunlicherweise konnte ich über viele Dinge auch herzlich lachen, offensichtlich habe ich heute einen ausreichend grossen Abstand zum Krankenhausalltag, der hier exakt nachgezeichnet wird.
Frau Efinger hat in keinster Weise übertrieben, ich habe persönlich Stationen erlebt, in denen wesentlich schlimmere Zustände herrschten.
Spätestens ab Seite 135 hat mich dieses Buch dann gepackt: Es ist spannend wie ein Thriller, lehrreicher als manch Lehrbuch und mystischer als manch Fantasy-Roman.
Sehr gelungen diese Mischung!
Schade auch, dass viele der jungen Ärzte unfähig sind die Erkenntnis zuzulassen, dass sie eben doch nicht alles wissen, nicht Gott ersetzen können und noch vieles unerklärliches auf dieser Welt ist, was das Leben und das Sterben angeht.
Sehr schön nachempfunden, wie Ärzte darauf im allgemeinen reagieren.
Ich hoffe, es wird von vielen Ärzten und Professoren gelesen, vielleicht führt es dann endlich zur Einsicht, dass einiges geändert werden muss im Umgang mit Krankheit, Medizin, Pflege und Menschlichkeit.
Ich würde mir das wünschen!