Magie, Machtspiele und ein Hotel voller Geheimnisse

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
nil Avatar

Von

Schon beim ersten Aufschlagen des Romans hatte ich Bilder im Kopf: ein schimmernder Marmorboden, gedämpftes Stimmengewirr, Kellner in makellosen Uniformen, die mit Tabletts durch die hohen Hallen gleiten. Ein Nobelhotel, das wie eine eigene Welt wirkt. Doch Maggie Stiefvater zeigt schnell, dass das Grand Hotel Avalon mehr ist als eine Bühne für Glanz und Eleganz – es ist ein Ort mit Geheimnissen, einer Quelle, die heilende Kräfte haben soll, und einer Direktorin, die mit all ihrer Hingabe für diesen besonderen Platz lebt.
Wir befinden uns im Jahr 1942. Während draußen der Zweite Weltkrieg tobt, verwandelt sich das abgeschiedene Luxushotel in den Appalachen in einen Internierungsort. Deutsche und japanische Diplomaten mit ihren Familien werden hier vom FBI einquartiert – eine historisch fundierte, aber wenig bekannte Episode, die dem Roman seine Schärfe verleiht. Zwischen Etikette und Argwohn, zwischen alten Gästen, die weichen müssen, und neuen Bewohnern, die unfreiwillig zu Gästen werden, entstehen Spannungen, Begegnungen und stille Dramen.
Im Mittelpunkt steht June Porter Hudson, die Hoteldirektorin. Sie ist keine glatte Heldin, sondern eine Frau, die unter Druck Haltung bewahrt, die das Hotel zusammenhält, während die Fassade zu bröckeln droht. Ihre Liebe zum Avalon, ihr unerschütterliches Pflichtbewusstsein, aber auch ihre Zweifel und Verletzlichkeiten machen sie zu einer Figur, der man gerne folgt.
Stiefvaters Sprache ist atmosphärisch dicht, voller Zwischentöne und beinahe poetisch. Sie lässt uns die Hallen des Hotels hören, riechen und spüren – und manchmal glaubt man, selbst ein Glas des geheimnisvollen Wassers zu kosten. Besonders gelungen ist die Art, wie sie historische Genauigkeit mit einem Hauch Magie verbindet.
Mich hat der Roman gefesselt, weil er mehrere Ebenen miteinander verknüpft: die große Politik im Hintergrund, die leisen privaten Geschichten der Internierten, die Leidenschaft und Verantwortung der Angestellten. Das Grand Hotel Avalon wird so zum Mikrokosmos, in dem die Widersprüche dieser Zeit verdichtet sichtbar werden.
Fazit: Grand Hotel Avalon ist ein Roman, der Historie, Atmosphäre und ein wenig Zauber verbindet. Er erzählt von Loyalität, Verrat und Menschlichkeit inmitten einer Ausnahmesituation – und von einem Hotel, das selbst fast zur Hauptfigur wird. Für mich ein berührendes, kluges und stimmungsvoll erzähltes Buch, das lange nachhallt.