Die verschwiegene Lebensgeschichte

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Crescent Island. Margaret Ives sucht jemanden, der ihre Memoiren nach ihren Erzählungen verfasst. Als die Journalistin Alice Scott die Anzeige entdeckt, bewirbt sie sich sofort darauf. Schließlich hat die Familie in früheren Zeiten einige Skandale verursacht. Sie bekommt einen Termin bei der betagten Dame und erfährt, dass der Job eigentlich schon vergeben ist. Ihr Konkurrent ist der Pulitzer-Preisträger Hayden Anderson. Die drei einigen sich darauf, dass die Entscheidung erst nach einem Probemonat fallen soll. In der Zeit bekommen sie alle Informationen, die sie für das Buch benötigen, dürfen sich aber nicht untereinander austauschen. Das wäre sicher nicht schwer einzuhalten, denn Hayden wirkt mehr als genervt. Aber so leicht lässt Alice sich nicht verdrängen.

Emily Henry setzt ihre Figuren auch in ihrem Roman Great Big Beautiful Life im einsamen Nirgendwo der USA für eine Zeit fest. Die Positionen der Beteiligten sind schnell klar und man erwartet, was nun Überraschendes kommt. Dieser Roman ist ein bisschen anders als die bisherigen der Autorin. Nach der ersten Vorstellung der Geschichte stellt sich ebenfalls wieder die Frage, was in der Vergangenheit passiert ist, aber eben nicht beim potenziellen Liebespaar. In diesem Fall ist Margaret die Geheimnisvolle. Sie hat sich nach einem Vorfall komplett aus dem Rampenlicht zurückgezogen und die letzten zwanzig Jahre in der Abgeschiedenheit einer Insel gelebt. So ist Alices Interesse an der Story auch erklärbar und wieso sie dafür die Hürden überwinden will. Während der Interviews für das Buch erfährt der Leser nach und nach, welche Lebensgeschichte dahintersteckt. Aus den Formulierungen kann man schon erahnen, dass sich die offizielle Version von der von Margaret unterscheidet. Mich machen derartige Stilelemente immer neugierig.

Gereifter Erzählstil und Perspektivenwechsel
Der Roman kommt mit einer übersichtlichen Anzahl an Figuren aus. Die drei Hauptfiguren sind detailliert ausgearbeitet und lassen in mancher Hinsicht überraschende Wendungen zu. Margarets Biografie weckt sofort Interesse und der Tod eines Familienmitglieds fordert sogar noch zum kriminalistischen Rätseln heraus. Erwartet hätte ich aufgrund von Henrys vorherigen Romane eine turbulente Rom-Com. Die fällt in diesem Fall deutlich schwächer aus als sonst. Dafür rückt die ernsthafte Arbeit der beiden Kontrahenten in den Vordergrund. Dennoch gibt es ein bisschen was fürs Herz und auch humorvolle Situationen. Diese werden aber immer wieder durch ernsthafte Themen unterbrochen, die den Charakter der Figuren geprägt haben. Ganz sicher ist Henry ebenfalls mit einem exzellenten Schreibtalent gesegnet. Der Roman macht Spaß, fällt aber ein bisschen aus der Reihe. Es scheint, als würde sich die Autorin in eine neue Richtung entwickeln.

In Great Big Beautiful Life überrascht Emily Henry mit einem ruhigeren, tiefgründigen Roman, der sich um Erinnerung, Wahrheit und zweite Chancen dreht. Statt der gewohnten spritzigen Rom-Com steht hier das vielschichtige Porträt einer faszinierenden Frau im Mittelpunkt mit spannenden Enthüllungen und leiser Melancholie, die auch die Hauptfiguren betreffen. Zwischen Biografieauftrag, Inselidylle und unterschwelliger Rivalität entwickelt sich eine fesselnde Geschichte mit feinem Humor und emotionalem Tiefgang. Henrys Stil hat sich definitiv verändert und bietet einen gereifteren Plot, der sich erst langsam entfaltet.