Zwei Geschichten und die Frage nach der Perspektive

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*lucy* Avatar

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Der Stand-alone-Roman „Great big beautiful Life“ ist für mich der erste Roman der Autorin Emily Henry.
Die beiden Journalisten und Autoren Alice Scott und Hayden Anderson konkurrieren auf Little Crescent Island um den Auftrag die Biografie der einst ebenso so glamourösen wie skandalumwitterten Margaret Ives zu schreiben. Während Margaret den beiden während eines Probemonats nur sehr rudimentäre Einblicke in die Geschichte ihrer berühmt-berüchtigten Familie und ihres Lebens gibt, kommen sich die ungleichen Konkurrenten ungewollt nahe.
Das Cover des Romans ist in den knalligen Rottönen und den großen Schriftzügen mit Autorin und Titel zwar in meinen Augen ästhetisch nicht unbedingt ansprechend, aber ein absoluter Blickfang. Die beiden klein abgebildeten Protagonisten liefern bereits einen ersten Eindruck ihrer Charaktere und der fragmentierte Hintergrund spielt bereits auf Margarets Geschichte an. Nicht richtig stimmig erscheint mir allerdings der Titel – ja, das Leben im Allgemeinen ist sicherlich sehr vielschichtig und setzt sich immer aus den unterschiedlichsten, perspektivabhängigen Facetten zusammen. Auf die Leben der drei Protagonisten bezogen finde ich die Adjektive aber nicht wirklich treffend.
Emily Henry erzählt in ihrem Roman sowohl die romantische Liebesgeschichte von Alice und Hayden, als auch die tragische Familien- und Lebensgeschichte von Margaret. Margarets Geschichte ist weitgehend durch Alices Notizen dargestellt, während die sich entwickelnde Beziehung zu Hayden aus Alices Perspektive in Ich-Form erzählt wird. Emily Henry nutzt überwiegend kurze, einfache Sätze. Der Roman lässt sich entsprechend leicht und flüssig lesen. Während viele Passagen eindrücklich und atmosphärisch dicht erzählt sind, weist die Handlung an einigen Stellen kleinere Längen auf. Zum Schluss verliert sie dagegen meiner Meinung nach ein wenig an Intensität. Zwar gefällt mir die Grundidee, aber da sich die Ereignisse am Ende beinahe überschlagen, bleiben die (emotionalen) Auswirkungen erzählerisch ein wenig auf der Strecke.
Mit den ziemlich gegensätzlichen Charakteren lässt sich „Great big beautiful Life“ zweifelsfrei den Tropes opposite attracts, rival to lovers und grumpy meets sunshine zuordnen. Alice ist auf den ersten Blick eine sympathische, stets positiv eingestellte kleine Nervensäge. Oberflächlich ist sie dabei allerdings nicht, sondern interessiert sich stets für ihre Mitmenschen und versucht immer das Gute zu sehen. Obwohl ihr die Gefühle, die Hayden in ihr hervorruft nicht ganz gelegen kommen, wäre sie nur allzu bereit ihnen nachzugeben. Trotz ihres Optimismus bleiben aber auch ihr leidvolle Erfahrungen mitunter nicht erspart. Hayden ist nach außen hin eher ein brummiger Eigenbrötler. Doch wie so oft verbirgt sich hinter der rauen Schale ein weicher, sehr sensibler Kern. Wenn er einmal eine Entscheidung getroffen hat, meint er es ernst und auf ihn ist in jeder Hinsicht Verlass. Seine Gefühle für Alice bereiten ihm Angst und er versucht sein Möglichstes sie nicht zu nah an sich heranzulassen. Ein Verhalten, dass mich beim Lesen zeitweise ein bisschen gestört hat, denn eigentlich ist es dafür schon viel zu spät. Margaret hingegen ist ein echter Sturkopf und verfolgt ihre eigenen Pläne von denen weder Alice noch Hayden etwas ahnen. Bei den Berichten aus dem Leben ihrer berühmt-berüchtigten Familie und ihres eigenen gibt sie meist nur sehr fragmentarische Informationen preis. Nach den tragischen Ereignissen in ihrer Vergangenheit, hat sie sich vollständig vom Leben außerhalb ihres Anwesens zurückgezogen, sodass die Anwesenheit von Alice oder Hayden für sie bereits ein großer Schritt ist.
Obwohl der Roman insgesamt einige Schwächen aufweist, gefallen mir die Grundideen der beiden Handlungsstränge und ihre Verbindung miteinander. Sicher hat die Autorin das Potential nicht voll ausgeschöpft, trotzdem habe ich angenehme Lesestunden mit dem Roman verbracht.