Hassliebe

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hasirasi2 Avatar

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Greta ist 17, als sie beim Dreh eines Werbefilms entdeckt wird. Eigentlich ist sie Verkäuferin in einem großen Kaufhaus, träumt aber davon, Theaterschauspielerin zu werden. Sie bekommt ein Stipendium an der Schauspielschule, auch wenn sie bei der Aufnahmeprüfung fast an ihrem Lampenfieber, ihrer Schüchternheit und Nervosität gescheitert wäre. Der Regisseur Mauritz Stiller wird auf sie aufmerksam und nimmt sie unter seine Fittiche, obwohl sie ihm zu dick und zu verspannt ist – aber ihn faszinieren ihre Ausstrahlung und Ausdruckskraft. Für Greta beginnt eine harte Zeit. Stiller versucht, alles in ihrem Leben zu bestimmen und sie nach seinem Willen zu formen, bei Dreharbeiten brüllt er sie vor allen an und beschimpft sie, nur um ihr kurze Zeit später zu sagen, dass er nur ihr Bestes will. Und obwohl sie immer wieder vor ihm gewarnt wird („Stiller denkt nur an sich, vergiss das nicht.“ (S. 199)), ist sie ihm geradezu hörig, lässt sich überreden, erst Schweden und dann sogar Europa zu verlassen, um in Amerika berühmt zu werden.

Kristina Lüding lässt in ihrer Romanbiografie die junge Greta Garbo wieder auferstehen. Sie zeigt ein junges Mädchen voller Selbstzweifel, dass sich nie schön, schlank und gut genug findet; dass früh ihren Vater verlor und wahrscheinlich auch deshalb so leicht von ihrem Mentor zu beeinflussen war, der diese Stelle ganz selbstverständlich bei ihr einnahm. Sie beschreibt eine junge Frau, die eine Hassliebe mit ihrem Förderer verbindet, von dem sie sich nicht lösen kann oder will.

Mir hat sehr gut gefallen, dass sie Greta nicht als kühlen, blonden Engel darstellt, sondern mit allen ihren Fehlern. Sie war vor der Kamera sehr unsicher, wollte lieber auf die Theaterbühne. Außerdem hasste sie es, fast ausschließlich als blondes Dummchen auf der Suche nach der großen Liebe und in Slapstick-Komödien besetzt zu werden: „Ich will ernste Rollen spielen, damit überzeugen. Ich will, dass die Leute über mich weinen müssen, dass sie den Atem anhalten, und ihr Herz sich vor Traurigkeit zusammenzieht. Ich will die Menschen berühren.“ (S. 56) Erst mit ihren Erfolgen wird sie sich ihrem Wert bewusst und emanzipiert sich, stellt den Studiobossen Forderungen und setzte diese auch auf die harte Tour durch.

Ich fand es spannend, dass Gretas Privatleben oft nur angedeutet wird, dass sie Männer und Frauen liebte, sich aber nie für immer binden oder eine Familie wollte. Mit vielen Weggefährten verband sie jahrzehntelange (Brief-)Freundschaften, auch wenn die persönliche Beziehung längst beendet war.

Die Autorin liefert eine sehr umfassende Schilderung von Gretas Leben bis zu ihrem selbstgewählten Rückzug aus der Filmbranche. Die Geschichte ist extrem gut (und schnell) lesbar, entfaltet von Beginn an eine tolle Sogwirkung und konnte mich bis zu Ende fesseln. Verdiente 5 Sterne!