viel Chaos

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Rebecca K Reilly: Greta & Valdin

Dieses Buch hat mich am Anfang richtig begeistert: Witzig, queer, herrlich schräg – genau mein Ding. Aber je länger ich gelesen habe, desto mehr fühlte es sich an wie eine Party, auf der alle irgendwann nur noch mit halb leerem Bier in der Ecke hocken und sich selbst bemitleiden.

Greta und Valdin – zwei Geschwister, Anfang/Mitte 20, queer, herrlich verkorkst und beide in aussichtslose Liebesdramen verstrickt – erzählen abwechselnd von ihrem ziemlich chaotischen Leben. Greta knallt einem einen Spruch nach dem anderen um die Ohren und tut auf Taff, während sie innerlich eine große Portion Herzschmerz herumschleppt und eigentlich ein Softie ist. Valdin ist die stillere Version: wenig Worte, dafür voller Neurosen und Liebeskummer deluxe.
Das alles hätte großes Drama-Potenzial gehabt – stattdessen zieht sich die Story wie ein Kaffeekränzchen in Zeitlupe, bei dem selbst der Kuchen irgendwann anfängt zu schimmeln, nur um gegen Ende plötzlich so hektisch Tempo zu machen, als müsste sie im letzten Moment aufholen, was sie vorher verschlafen hat.

Das Familienchaos war für mich das absolute Highlight: russisch-maorisch-katalanisches Kuddelmuddel vom Feinsten. Bei jedem Treffen spontane Katastrophen, irgendwer ist immer beleidigt, irgendwas geht immer schief – und trotzdem endet alles in einer großen, warmen Umarmung. Dazu ein Umgang mit Queerness, der so selbstverständlich und entspannt ist, dass man sich wünscht, es wäre überall so. Allein dafür hätte ich das Buch lieb haben können.

Aber die Nebenfiguren – Gott bewahre. Ein Figurenregister gibt’s zwar, aber was nützt das, wenn alle gleich heißen oder sich zumindest so ähnlich anhören, dass man denkt, man sei in einem wirren Verwandtschaftsquiz gelandet, bei dem niemand die richtigen Antworten kennt? Irgendwann habe ich einfach aufgegeben und akzeptiert, dass ich wahrscheinlich irgendeinen Cousin mit einem Ex-Freund verwechsle. Besonders bei der Mutter-Liebes-Sache war ich irgendwann völlig lost – war das jetzt der Ex von wem? Oder ein Cousin? Oder einfach irgendein Typ, der zufällig im Wohnzimmer stand?

Kurz gesagt: Greta & Valdin ist frech, divers, modern, schön chaotisch – aber leider auch zu lang, zu wirr und manchmal einfach nur anstrengend.
Viel Potenzial, viel Chaos – und irgendwann leider auch ziemlich viel Augenrollen.