Die Waise von Kirchheim

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„Gretas Erbe“ ist ein großes und welcher Art bzw. wem sie dieses Erbe zu verdanken hat, daran besteht schon sehr früh im Roman kein Zweifel – dies ist leider dem Spannungsbogen nicht sonderlich zuträglich, ebenso wenig wie die sehr klar definierte Liebesgeschichte zwischen Greta und Robert, dem Sohn der Pflegefamilie, in der sie. Leider hat Robert im Verlauf der Geschichte keine echten Nebenbuhler, denn Gretas Herz ist fest an ihn vergeben – auch das ist ebenso von Beginn an klar, wie das Robert sich gleichermaßen für Greta interessiert wie sie für ihn. Die Dramatik der Story muss also anderweitig hergestellt werden und wird daher aus der der Beziehung feindlich gesinnten (Pflege-)Familie und zahlreichen Missverständnissen zwischen den Liebenden generiert. Ansonsten erinnert der Plot sehr stark an Aschenputtel. Greta ist das ungeliebte Pflegekind, dass von der Familie Hellert nach allen Regeln der Kunst als kostenlose und fügsame Arbeitskraft ausgenutzt wird. Greta wird vor allem beim Weinanbau eingesetzt und so erfährt der Leser ganz nebenbei zahlreiche interessante Details der Weinlese. Allerdings dehnt sich die Handlung auch immer wieder sehr in die Länge, viele Episoden gleichen sich und bestimmte Versatzstücke der emotionalen Befindlichkeit Gretas werden immer und immer wieder wiederholt, sodass man so manches Mal das Gefühl hat sich im Kreis zu drehen. Auch ihren Zusammentreffen mit Robert fehlt mitunter die Variation. Unbefriedigend oder aber auch überraschend ist außerdem die Tatsache, dass eigentlich im Text angelegte Elemente nicht ganz zu Ende geführt werden, wie z.B. Gretas Wunsch, das Abitur zu machen.
Bei der Figurenkonzeption muss man feststellen, dass Greta etwas zu strahlend, märchenhaft schön und engelsgleich gut geraten ist. Fast nie durchzuckt ein abschätziger Gedanke ihren Geist, sie setzt sich kaum zur Wehr, kämpft gegen Eifersucht, da Eifersucht keine Zierde ist, ihr einziger Traum ist, von ihrer Pflegefamilie als eine der ihren anerkannt zu werden. Da muss ich mich allerdings schon stark fragen, warum. Denn selbst wenn man die Ungleichbehandlung und „Versklavung“ Gretas außer Acht lassen würde, bliebe immer noch die Tatsache, dass die Hellerts ein äußerst unsympathischer, engstirniger, bigotter, unsympathischer und noch dazu sehr eindimensionaler Haufen sind, denen man eigentlich schnellstmöglich den Rücken kehren sollte. Daran können weder der überaus egoistische Robert noch der sensible Matse etwas ändern.
Aber auch wenn die Handlung oftmals vorhersehbar ist, die Figuren sehr einfach konzipiert sind und die zeitgeschichtlichen Einsprengsler doch recht bemüht wirken, habe ich „Gretas Erbe“ gern gelesen und auch gemocht. Es hat etwas Märchenhaftes und die Geschichte eines jungen Mädchens, das quasi alle gegen sich hat und diesen Widerstand immer wieder überwindet, bietet eine nette Alltagsflucht. Ich hadere allerdings noch ganz schwer mit den Optionen, die das Ende andeutet – das erscheint mir doch zu nah am Märchen oder Groschenroman und völlig unrealistisch – aber bis dahin war es bis auf die eine oder andere Länge gute Unterhaltung.