Zum Unwohl. Die Pfalz.

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herr_stiller Avatar

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Eine Geschichte über die Pfalz, das sonnengeküsste Land in Deutschlands Südwesten, Heimat des wundervollsten Fußballvereins der Welt. Eine Geschichte über eine junge Frau, die Teil der noch jungen feministischen Bewegung wird, gegen den Willen ihrer Ziehfamilie, gegen den Mief der frühen 1970er-Jahre. Und natürlich eine Geschichte über den Weinbau, das Leben als Winzer:in in einer der besten Weinregionen dieser Welt. Es hätte so schön sein können. Hätte.

„Gretas Erbe“, der Auftakt der „Die Winzerin“-Trilogie von Nora Engel ist ein unfassbar ärgerliches Buch. Es ist eine papiergewordene Telenovela, eine Schmonzette sondergleichen. Als hätten ein Saarländer und ein Mannheimer beschlossen, der Pfalz den literarischen Todesstoß zu geben. Und das Schlimmste: Es ist von den Autorinnen – Nora Engel ist das Pseudonym von Danela Pietrek und Tania Krätschmar – nicht einmal beabsichtigt.

Fast alle Figuren außer Greta sind tumb bis unsympathisch angelegt, um den großen Unterschied zur Hauptfigur zu schaffen. Ihr „Bruder“ Robert, die unvermeidliche Love Interest, ist eine Blaupause des Helden in Teenie-Romanzen und Groschenromanen. Lediglich ihre Lehrerin, die nur eine kleine, aber nicht unbedeutende Rolle spielt, sowie die von ihrer Ziehfamilie verhassten Winzernachbarn bestärken Greta in ihren Schritten, bleiben dabei aber völlig blass und unausgegoren.

Eine völlig vorhersehbare Geschichte wird auf 400 - immerhin relativ flüssig zu lesende - Seiten ausgerollt, es gibt keinerlei Überraschungen, nicht einmal am Ende, das lediglich Leute zu einem leisen „Huch!“ hinreißen lässt, die im Leben nicht mehr als vier Bücher gelesen haben und „Rote Rosen“ für eine authentische, geistreiche TV-Serie halten. Die Dialoge sind platt und unglaubwürdig, Greta werden Sätze in Kopf und Mund gelegt, die eine junge Frau zwischen 16 und 19 niemals sagen und denken würde, auch nicht in den frühen 1970er-Jahren.

Zwei, drei Zeilen in Mundart, ein bisschen Weinfest-Folklore, ein abgeschriebenes Weinbau-101-Glossar machen noch keinen Heimatroman über die Weinregion Pfalz, ein paar Zeitgeist-Referenzen über Alice Schwarzer, Schwangerschaftsabbrüche und Bildungsaufbruch noch keine Reise in den frühen deutschen Feminismus. Alles ist total bemüht, konstruiert, platt – und in erster Linie: verdammt schade.

Die Autorinnen verschenken hier völlig das Potenzial für eine spannende, interessante Geschichte über das Erwachsenwerden, über das Ende des Patriacharts, über die Modernisierung der Gesellschaft im ländlichen Raum. Dass diese Geschichte über zwei weitere Bücher gestreckt wird, weckt gleichzeitig Hoffnung und Unbehagen. Hoffnung, dass es irgendwie doch noch besser wird. Unbehagen, dass „Die Winzerin“ am Ende wirklich als platte Telenovela verfilmt wird und die Pfalz nicht als die freundliche, weinverrückte Region dargestellt wird, die sie ist, sondern als das dümmlich-rückständige Klischee, das viele von ihr haben. Zum Unwohl. Die Pfalz.