Familiäre Einblicke

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Es ist im Jahr 1948, Auguste Adenauer, genannt Gussie ist 52 Jahre alt. Sie weiß, dass sie nicht mehr lange leben wird. Sie verbringt die letzten Tage im Krankenhaus und lässt ihr Leben Revue passieren: Das Leben an der Seite von Konrad Adenauer, der der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschlands werden wird. Das erlebt sie aber nicht mehr. Konrad Adenauer ist Oberbürgermeister von Köln, er ist Witwer, als Gussie, fast 20 Jahre jünger als er, seine zweite Frau wird und damit plötzlich Mutter der drei Kinder aus seiner ersten Ehe und nach wenigen Jahren auch Mutter von 5 weiteren Kindern, von denen eines wenige Tage nach der Geburt stirbt.
Ihr Leben ist ausgefüllt mit Mutterpflichten und Repräsentationspflichten, so wurde sie erzogen, darein fügt sie sich auch klaglos. Nur manchmal denkt sie still darüber nach, ob sie nicht doch ihre große Leidenschaft Musik, eine Leidenschaft, die sie mit ihrem Mann teilt und verbindet, zu ihrem Beruf hätte machen sollen.
Mit Konrad Adenauer teilt und verbindet sie auch die Abneigung zu den neuen Machthabern, die mit ihren brutalen Methoden das Leben der ganzen Familie in Angst versetzen: Die großen Söhne müssen Kriegsdienst leisten, Konrad Adenauer wird eingesperrt, ebenfalls Gussie, die Kinder erleiden Repressalien in der Schule. Zumindest haben sie den ganzen Krieg über ein Dach über dem Kopf und scheinen auch materiell nichts entbehren zu müssen, das unterscheidet sie von vielen anderen Mitbürgern.

Der Autor Christoph Wortberg schreibt seinen Roman, der sich gut und flüssig lesen lässt, in der Ich-Form. Es gibt wohl Briefe von Gussie – vor allem an ihren Vater, zu dem sie ein sehr enges Verhältnis hat – die auch jedem Kapitel vorangestellt werden. Trotzdem tauchte bei mir die Frage auf, ob die Gedanken, die da Gussie zugeschrieben werden, nicht doch weitgehend Fantasie sind.
Gussies Geschichte ist natürlich eng mit der Geschichte von Konrad Adenauer verbunden und so ist der Roman über Gussie Adenauer auch ein Buch über Konrad Adenauer und so bleibt - für mich – die Gestalt von Gussie etwas blass.

Lesenswert ist der Roman aber allemal. Ich habe noch dunkle Erinnerungen an Konrad Adenauer, vor allem an seine markante Stimme mit der rheinländischen Färbung. Er hat eine herausragende Rolle gespielt in der Zeit des Aufbaus nach dem Krieg und war eine hochgeschätzte Persönlichkeit.
Über seine private Seite wusste ich bisher nicht viel. Dieses Buch, das die familiäre Seite der Familie Adenauer beschreibt, füllt daher eine Lücke.