Gussie - Szenen aus einem Frauenleben vor 100 Jahren

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Inhalt: Gussie, die Hauptfigur des Buches, heißt eigentlich Auguste, wird aber von ihrer Familie und ihren Freunden nur „Gussie“ genannt. Mit 24 Jahren heiratet sie den verwitweten Politiker Konrad Adenauer und wird zur Mutter seiner Kinder. Im Alter von nur 52 Jahren erliegt sie einem Leiden, das sie sich während der Zeit des Nazi-Regimes zugezogen hat. Von der Krankheit schwer gezeichnet, erinnert sie sich einzelner Stationen ihres Lebens.

Beschreibung:
Thema und Hintergrund des Buches sind durchwegs ernsthafter Natur, trotzdem liest es sich schnell und flüssig. Die im Roman beschriebenen, erinnerten Szenarien aus dem Leben seiner Hauptfigur Gussie hat der Autor auf Basis verbürgter Fakten und aus in Briefwechseln enthaltenen Informationen, konstruiert. Auf diese Weise ist der Umfang des Romans festgelegt und die im Roman vorgenommene Fiktion wird auf ein Mindestmaß limitiert. Profane Neugier und Voyeurismus finden keinen Ansatzpunkt und werden nicht bedient.

Gussie wurde vor rund 130 Jahren geboren. Dem Autor gelingt das Kunststück, den damaligen Zeitgeist einzufangen. Die einzelnen Lebenssituationen, die seine Protagonistin in Flashbacks erinnert - beschreibt er authentisch und einfühlsam. Mehr als einmal haben mich einzelne Passagen des Buches zu Tränen gerührt. Daran konnten auch die, vom Autor immer wieder eingestreuten, philosophischen Gedanken nichts ändern. So lässt er z.B. Gussie sinnieren: „Was wir erinnern, ist nicht das, was geschehen ist. Was geschieht, ist allein dem Moment vorbehalten. Was bleibt, ist nur eine Wahrheit unter Tausend Wahrheiten, erfundenen oder erträumten.“

Dem Leser werden nur einzelne Ereignisse aus Gussies Leben vermittelt. Aus der Erzählung im Buch lässt sich nur bruchstückhaft ein Leben nachzeichnen und ein Lebensweg erklären. Umstände und Entwicklungen bleiben im Dunkeln und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Der Mensch und die Frau Gussie bleiben dem Leser in vielen Dingen unbekannt. Man erfährt zum Beispiel nicht, woher Gussies Liebe zur Musik rührt oder wie das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter entstanden ist und wie es sie beeinflusst hat. Diese fehlenden Angaben machen es dem Leser möglich, sich sein eigenes Bild von Gussie zusammenzusetzen: aus den in den Flashbacks aufscheinenden Informationen und aus seinen eigenen, individuellen Erfahrungen und Vorstellungen.

Apropos Bild: Das gelungene Buchcover enthält ein Porträt der jungen Gussie. Sie ist ganz im Stil der damaligen Zeit abgebildet und trotz ihrer Jugend könnte der Betrachter daraus Persönlichkeit und eine feste Entschlossenheit, den eigenen Weg gehen zu wollen, erkennen.

Fazit: Das Buch bietet gehobenen Lesegenuss und gewährt Einblicke in ein privilegiertes Frauenschicksal in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.