Interessante Romanbiografie über Gussie Adenauer

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monika85 Avatar

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Im Mittelpunkt des aktuellen Romans "Gussie" von Christoph Wortberg steht Auguste Zinsser, kurz Gussie genannt, die zweite Ehefrau von Konrad Adenauer.
 
Die Professorentochter Gussie ist 19 Jahre alt, als sie Konrad Adenauer vorgestellt wird. Sie hat eine Einladung von Emma Adenauer, der Ehefrau Adenauers, zum gemeinsamen Musizieren angenommen. Fünf Jahre später, Emma ist inzwischen verstorben, heiratet Gussie den 19 Jahre Älteren, der mittlerweile Oberbürgermeister von Köln ist und drei Kinder mit in die Ehe bringt. Ihm zuliebe konvertiert sie zum katholischen Glauben. Aus der Ehe gehen fünf Kinder hervor, das erste Kind stirbt 4 Tage nach der Geburt. Gussie widmet sich hingebungsvoll ihrer großen Familie und engagiert sich auf politischem und sozialem Gebiet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verliert Adenauer sein politisches Amt und ist gezwungen, unterzutauchen. Seine Frau wird verhaftet und muss eine folgenschwere Entscheidung treffen.
 
Auf einer zweiten Erzählebene blickt die inzwischen 52-jährige und dem Tode geweihte Gussie während ihrer letzten Tage auf ihr Leben zurück. Sie erinnert sich an die Zeit, als sie noch bei den Eltern lebte, an ihren liebevollen Vater, der seiner neugierigen und wissbegierigen Tochter alle Fragen beantwortete und immer für sie da war. Er ist ganz anders als ihr ruhiger Ehemann, dessen Schweigen sie so oft zur Verzweiflung bringt und dem es schwerfällt, sein Herz zu öffnen und seine Gefühle zu zeigen.
 
Das Buch ist in einfacher Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Wir lernen Gussie als fröhliches Mädchen kennen, das mit Hingabe Geige spielt, eine gute Schülerin ist und dem ein Studium verwehrt wird, weil es als höhere Tochter für die Ehe bestimmt ist. Gussie gewinnt mit ihrer lieben und lebensfrohen Art sehr schnell die Herzen ihrer Stiefkinder und ist Adenauer eine liebende Ehefrau. Der Autor bringt uns mit viel Empathie nicht nur ihre Persönlichkeit nahe, sondern auch ihre Enttäuschung über das Schweigen ihres Mannes, Kummer, Leid, Schuldgefühle und ihre lebenslange Trauer über den Tod des erstgeborenen Kindes. 
 
Gussies Lebensgeschichte ist sorgfältig recherchiert und spannend erzählt. Auch der politische Hintergrund und die schwierigen Lebensbedingungen während der NS-Zeit sind sehr gut dargestellt.
Die Beschreibung Gussies letzter Lebenstage hat mich leider nicht überzeugt, ich fand sie stellenweise recht unrealistisch und insgesamt zu rührselig dargestellt. Das Buch beruht auf vielen tatsächlichen Begebenheiten, da wundert es mich, dass die allen Kapiteln vorangestellten Briefauszüge nicht Gussies tatsächlicher Korrespondenz entnommen wurden, sondern nur fiktiv sind. 
 
Nicht unerwähnt lassen möchte ich das schöne Cover mit dem Auszug eines Gemäldes, das Helene von der Leyen 1927 im Auftrag Konrad Adenauers von dessen damals 32-jähriger Frau angefertigt hat. Das vollständige Bild ist auf der ersten und der letzten Buchseite dargestellt.