Kann man ohne Selbstliebe lieben?
TW: Essstörung
„Angst begutachtet ein Menschenleben von allen Seiten, sucht nach Rissen, Abschürfungen, Schwachstellen und Zweifeln. Und sobald sie fündig wird, nimmt sie alles auseinander, Knochen für Knochen, Sorge für Sorge, bis man die Wahrheit und Fiktion nicht mehr unterscheiden kann.“
Ginny wirkt lebenslustig, unbeschwert und fühlt sich in der Gegenwart von Männern sehr viel wohler, als in der von Frauen. Das ist auch einer der Gründe, warum sie zu ihren besten Freunden in eine WG zieht. Doch in dieser fällt es ihr deutlich schwerer, ihre Essstörungen, sie sie seit Jahren begleiten zu verbergen. Doch dort lernt sie auch Adrian kennen. Adrian, der ein Meister im unterdrücken von Gefühlen ist, fühlt sich sofort zu ihr hingezogen. Und trotz der Anziehung, die er empfindet, macht er dicht, sobald ernste Gefühle ins Spiel kommen. Doch was macht man, wenn der Mensch den man liebt, die Gefühle nicht erwidern kann?
Emma Noyens lässt uns tief in die Gedankenwelt und die Vergangenheit ihrer beiden Hauptpersonen eintauchen, versteht es vor allem auf eindringliche Weise, die zerstörerischen Kreisläufe der Essstörung von Ginny darzustellen, die so schmerzhaft mit Selbsthass und einer verzerrten Selbstwahrnehmung zu kämpfen hat, nach außen hin jedoch immer die leichte, lockere und selbstsichere Frau spielt, nach der sie sich oft gar nicht fühlt. Das Thema der Essstörung wird hier sehr konkret und bildlich geschildert, und wird bei mir noch lange nachklingen. Und auch zu Adrian, der seine Mauern aufgrund seiner Vergangenheit hochzieht und dessen Probleme einem eine Schwere auf die Brust legen, findet man unheimlich schnell einen Zugang. So echte und einnehmende Menschen, so viel Emotionen, die man durchlebt.
Für mich ein wundervoller, ernsthafter und gefühlvoller Roman, der nicht nur von der Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen erzählt, sondern vor allem von Selbstliebe und der immensen Bedeutung, die diese für unser eigenes Glück hat.