Gym

Ehrlichkeit, feministischer Beobachtung und subtiler Abgründigkeit

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die.lese.anna Avatar

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Auf den ersten Blick geht es in „Gym“ vielleicht um Eiweißshakes, Spiegelwände und glänzende Körper – doch was mich an Verena Keßlers Roman sofort gepackt hat, ist, was dahinter liegt: die Frage, wie viel Wahrheit wir anderen (und uns selbst) eigentlich noch zumuten.

Die Idee, dass eine Protagonistin sich im Bewerbungsgespräch spontan eine Geburt ausdenkt – und dann in einem System voller toxisch-positiver Vibes und durchtrainierter Körper ein Geheimnis nach dem anderen mit sich herumschleppt – finde ich spannend, mutig und absolut zeitgemäß. Ich glaube, dass dieses Buch nicht nur die Fitnesswelt beleuchtet, sondern auch viel darüber erzählt, wie wir heute funktionieren: Wie wir performen. Wie wir Erwartungen erfüllen wollen. Wie wir manchmal selbst nicht mehr wissen, wo die Lüge aufhört und das Ich anfängt.

Mich reizt die Mischung aus Humor, Ehrlichkeit, feministischer Beobachtung und subtiler Abgründigkeit. Ich bin neugierig auf Vick, auf den vermeintlich feministischen Chef, auf die Kolleginnen – und vor allem auf die leise Spannung, die sich aufbaut, wenn etwas nicht stimmt, obwohl äußerlich alles so perfekt scheint.

Ich würde „Gym“ unglaublich gerne lesen, weil ich Geschichten liebe, die gesellschaftliche Normen in Frage stellen, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben. Und weil ich spüre, dass sich hinter dem stylischen Setting ein ehrlicher Blick auf Themen wie Identität, Körperbild, Druck und Selbstinszenierung verbirgt.

Ein Roman, der sich nicht davor scheut, dahin zu schauen, wo es weh tut – das will ich lesen.