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Proteinshakes und Selbstbehauptung

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saskian Avatar

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Das Buchcover ist optisch ansprechend und stilistisch gut auf das Thema abgestimmt – clean, kraftvoll, mit einem Hauch Ironie, wie das gesamte Setting. Es signalisiert: Hier geht es nicht nur um Sport, sondern um Körper, Gesellschaft und Performance.

Der Schreibstil ist direkt, pointiert und voller feiner Beobachtungen. Verena Keßler gelingt es, mit scheinbar beiläufigen Formulierungen große Themen wie Mutterschaft, Körperbilder, Lügen und Selbstbehauptung anzureißen. Die Sprache changiert gekonnt zwischen lakonisch, bissig und berührend – ein starker, eigener Ton.

Der Spannungsaufbau lebt nicht von äußeren Dramen, sondern von innerer Spannung: Der Widerspruch zwischen der glitzernden Oberfläche des Fitnessstudios und dem bröckelnden Innenleben der Protagonistin wird subtil, aber kraftvoll vermittelt. Es entsteht eine stete Erwartung, dass unter der Routine bald etwas explodieren könnte – und das fesselt.

Die Charaktere sind sofort greifbar: Die Erzählerin mit ihrer Mischung aus Selbstironie, Erschöpfung und Durchhaltewillen ist vielschichtig und glaubwürdig. Ferhat, der sich als Feminist inszeniert, ist ambivalent, fast grotesk – und Milli mit ihrer naiven Herzlichkeit eine perfekte Nebenfigur, die zugleich berührt und irritiert. Besonders beeindruckend: Die Figuren sind nicht karikiert, sondern komplex.

Ich erwarte von der Geschichte keine klassische Handlung, sondern eine dichte Innenwelt, in der sich existenzielle Fragen in alltäglichen Gesten spiegeln. Mich interessiert, wie lange sich die Protagonistin in dieser körperlichen und sozialen Choreografie noch behaupten kann – und was passiert, wenn sie aus ihr ausbricht.

Ich würde das Buch gerne weiterlesen, weil es klug erzählt ist, humorvoll und bitter zugleich, und weil es die richtige Balance zwischen Gesellschaftskritik und Empathie findet. Man spürt: Hinter jedem Shake steckt eine Geschichte.