Gym

Der Körper als Projekt: Satirische Gesellschaftskritik

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
downey_jr Avatar

Von

Verena Keßlers bisherigen Romane "Eva" und "Die Gespenster von Demmin" hatten mir beide sehr gut gefallen, weshalb ich mich riesig auf "Gym" gefreut hatte.
Schon der Klappentext versprach, dass dieses Buch ganz anders sein würde als die beiden Vorgänger:

Die Protagonistin, deren Körper nicht gerade in Top-Form ist, als sie sich im MEGA GYM bewirbt, bekommt den Job, als sie behauptet, sie habe gerade entbunden. Ihr neuer Chef ist selbsternannter Feminist, die Arbeit entspannt. Erst als alle unbedingt Babyfotos sehen wollen, zieht die unbedacht ausgesprochene Notlüge unangenehme Konsequenzen nach sich.
Während sie einerseits weiterhin ihr Leben als alleinerziehende Mutter glaubhaft vortäuschen muss, fängt die Protagonistin auch an, an ihrem Körper zu arbeiten. Erst auf Rat ihres Chefs hin, dann findet sie aus eigenem Antrieb Gefallen daran:

"Ich hatte alles unter Kontrolle. Mein Körper war zu meinem Projekt geworden, und das Projekt lief hervorragend. "

Als die Bodybuilderin Vick auftaucht, entwickelt sich der Selbstoptimierungszwang jedoch zu einem regelrechten Wahn.

"Auf einmal war es mir vollkommen klar. Was Vick da machte, war, sich selbst zu erschaffen. Ein Selbst, das sich so sehr abhob, so sehr für sich stand, so unumstößlich da war in der Welt, dass jede Meinung dazu, jede Wertung, jedes Begehren einfach daran abprallen musste."

Auch die Schatten ihrer Vergangenheit wirken noch in der Ich-Erzählerin nach. Häppchenweise erfährt man hier mehr davon.
Auf zwei Zeitebenen spitzt sich die Lage zu ....

Verena Keßler schreibt gewohnt gut, es entwickelt sich schnell eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann.
Ihr Blick hinter die Kulissen der schönen Oberflächen ist messerscharf und klug. Es bleibt einem das Lachen oft im Hals stecken.
Auf überzogene Art und Weise wird aufgezeigt, wohin übertriebene Selbstoptimierung, Leistungsdruck und Egoismus führen können.

Ein absurd grotesker, gesellschaftskritische Roman. Doch obwohl ich mich von dem Buch gut unterhalten fühlte, war es dennoch leider nicht ganz das erwartete Highlight.
Vor allem das offene Ende hat mich nicht recht begeistern können. Mir hat hier irgendwie noch etwas gefehlt.

Ich vergebe 4⭐️.