Gym

Eine wilde Achterbahnfahrt

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"Gym" von Verena Keßler ist eines dieser Bücher, die ich an einem Stück verschlungen habe, an die ich aber noch lange darüber hinaus denken muss.

Bei einem Bewerbungsgespräch im Fitnessstudio bekommt die Protagonistin zu spüren, dass ihr Körper wohl nicht so ganz in das Image einer Gym-Mitarbeiterin passt - also erklärt sie, sie hätte erst vor Kurzem ein Kind bekommen. So ist das natürlich kein Problem, denn der Chef ist ja Feminist. Das Problem: Die Schwangerschaft hat es nie gegeben, folglich gibt es auch kein Kind.

Die Erzählerin erhält ihre Notlüge mit viel Einsatz aufrecht und für eine Weile scheint es, als könne sie im MEGA Gym wirklich ein neues Leben anfangen. Weshalb das überhaupt nötig ist, erfahren wir erst am Ende, bekommen aber immer wieder Einblicke in ihr altes Leben als ehrgeiziger Workaholic. Sie beginnt sogar, selbst zu trainieren. Zunächst widerwillig, aber dann trifft sie Bodybuilderin Vick, von deren Körper und Ausstrahlung sie angezogen wird.

Das Buch ist, wie ein Training im Fitnessstudio, in mehrere Sätze unterteilt. Vor allem zu Beginn zeichnet es sich durch einen bissigen, sarkastischen Humor aus. Bevor wir uns versehen, wird es aber alles andere als lustig. Die Erzählerin stürzt ab in ihre Körper-Obsession und ihre Projektion. Plötzlich finden wir uns in Taten und Gedanken wieder, die auch mal abstoßend sind und Ekel auslosen. Bis man sich am Ende fragt, ob man die Protagonistin als Leser*in überhaupt richtig gekannt hat.

Eine mitreißende Geschichte von Anfang bis Ende, die sich auf humorvolle und tiefgründige Weise mit Körperwahn, Selbstoptimierung und Hustle Culture auseinandersetzt. Auf jeden Fall eines meiner Lesehighlights dieser Jahre!