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Lüge, Leistung und Selbstverlust - Körper & Geist außer Kontrolle

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Die namenlose Protagonistin bewirbt sich in einem Fitnessstudio und erkennt schnell, dass sie dort aufgrund ihres vermeintlich "nicht fitnesstauglichen" Körpers kaum eine Chance hat. Sie greift spontan zu einer Notlüge. Sie behauptet, gerade erst ein Kind bekommen zu haben. Der selbsternannte feministische Studiobetreiber stellt sie ein. Aus der kleinen Lüge entsteht ein Konstrukt. Die erfundene Mutterschaft wird gelebt: Kauf einer Milchpumpe, milchverschmierte Shirts & versteckte Schnuller in der Handtasche. Der Alltag im Studio schleicht sich ein und sie beginnt zu trainieren initial mit dem Trainingsplan ihres Chefs. Doch je mehr sie sich körperlich verändert, desto mehr gerät sie in einen regelrechten Strudel aus Selbstoptimierung und Größenwahn.

Die Geschichte beginnt seicht– fast leichtfüßig, mit Witz und Absurdität –, nur um sich dann immer weiter zu verdichten, zuzuspitzen, dunkler und intensiver zu werden. Die Protagonistin fixiert sich auf eine muskulöse Athletin, beginnt, sich mit ihr zu vergleichen, sie zu imitieren, ihr nachzueifern. Aus anfänglicher Bewunderung wird Besessenheit. Das Training und der Lifestyle wird zur Obsession, dadurch kommt es zu äußerlichen und tiefgreifend psychischen Veränderungen.

Das Buch zeigt eindrucksvoll, wie schnell man in ein System von Erwartungen und Vergleichen gerät und wie man sich selbst darin verliert. Wie leicht Ideale in Extreme kippen können, lässt mich schaudern. Der Roman endet auf eine verstörende, fast beklemmende Weise – mit einem Abspann, der viele Fragen offenlässt und zum Nachdenken zwingt.

Für mich war diese Geschichte nicht nur fesselnd, sondern in ihrer Radikalität auch aufrüttelnd. Ein grenzensprengender, mutiger und emotional intensiver Roman über das Verhältnis zwischen Körper, Identität und gesellschaftlichem Druck.