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Wenn Fitnesskult zur Obsession wird

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rosenfreund Avatar

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Verena Kessler liefert uns ein realistisches Cover mit einer ausgepowerten Frau, das gut zu der Thematik passt. Ihre namenlose Erzählerin lügt, um den Job als Thekenkraft in einem hypermodernen Fitnessstudio zu ergattern, denn ihr Chef, ein Feminist, hat Mitleid mit ihr, da sie vorgibt, vor kurzem entbunden zu haben. Allerdings passt sie nicht wirklich in diesen “Laden“, da sie zu dick, nicht stylisch, sondern eher verlottert rüberkommt. Als sie jedoch das Training für sich entdeckt, beginnt eine Obsession, denn sie will sich anpassen. Erst im Verlauf der Geschichte wird deutlich, dass sie vorher einen sehr gut bezahlten, aber äußerst arbeitsintensiven Job verloren hat. Sie ist es also gewohnt, alles für ihre Arbeit zu opfern. Die Protagonistin findet sich recht schnell in die neue Tätigkeit ein, jedoch ist es ein großes Problem für sie, dass sie behauptet hat, ein Baby zu haben, denn die Kolleginnen wollen Babybilder sehen. Bald wird aber deutlich, dass sie noch mehr zu verbergen hat.
Das Werk ist nur 192 Seiten stark, enthält aber keine Längen, sondern hat mich in all seiner Sogkraft fasziniert, obwohl es recht oberflächlich beginnt.
Der Schreibstil hat mir gut gefallen. Kessler schreibt humorvoll, legt die Finger in die Wunde, kritisiert und liefert uns eine recht absurde Story, die aber witzig und aktuell rüberkommt,. Dabei beobachtet sie sehr pointiert und scharf, schafft abwechslungsreiche Personen und regt zum Nachdenken an über Optimierungswahn und Obsession, sprich den Anforderungen der modernen Leistungsgesellschaft, für die man sich quälen und oft bis zum Exzess steigern muss. Letztendlich geht es aber allen Menschen nur um Anerkennung. Die Frage ist nur, ob man sie diese „erarbeiten“ und „erlügen“ kann.
Ein unterhaltsames, teils satirisches Werk über Selbstzerstörung mit viel Gesellschaftskritik.