Gym

Zwischen Proteinshake und Perfektionswahn

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Bei diesem Buch bleibt einem das Lachen regelrecht im Halse stecken: Die namenlose Protagonistin verliert zunehmend die Kontrolle. Warum? Darüber darf man am Ende spekulieren. Die Antworten stecken zwischen den Zeilen und werfen eine Vielzahl von Themen auf, die in diesem schmalen Buch genial und schlicht miteinander verwoben sind: das Streben nach Perfektion und Macht, Körperkult, weibliche Karrieren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Sie habe gerade erst entbunden, kontert die Protagonistin während eines Bewerbungsgesprächs im Fitnessstudio die Anspielung auf ihr kleines Bäuchlein. Das ist nur die erste von vielen Lügen. Anfangs ist es enorm lustig, wie diese Anti-Heldin versucht, ihre Fassade aufrechtzuerhalten: Wie sie im Büro des Chefs vorgibt, Milch abzupumpen, Babybilder aus Instagram-Accounts von Bekannten zeigt und schließlich sogar Kurse für Mütter gibt.

Doch irgendwann verliert sie die Distanz zu ihrem neuen Arbeitsumfeld. Anfangs noch spöttisch die Muskelwelt sezierend, gerät sie selbst in einen regelrechten Fitnesswahn, bei dem Grenze um Grenze überschritten wird. Gleichzeitig lassen Rückblenden erahnen, dass dies nicht ihre erste Eskalation ist.

Mit viel trockenem Humor und einem scharfen, oft hämischen Blick erzählt Verena Keßler die Abwärtsspirale ihrer Protagonistin. Besonders die Oberflächenkultur des titelgebenden Gyms ist großartig eingefangen. Gegen Ende braucht es einen robusten Magen, um die Methoden zur Eiweißzufuhr unbeschadet zu überstehen.

Fazit: Ein schweißtreibender Ritt zwischen Selbstoptimierung und Selbstverlust. 4,5 Pkt