Eine sehr spannende und atmosphärische Geschichte
Halbe Leben von Susanne Gregor ist wieder so ein Buch, das zunächst unscheinbar daherkommt und dann aber mit jeder Seite an Intensität zulegt. Der Titel hat mich sofort an ein Zitat von Mareice Kaiser erinnert, die in ihrem Buch Das Unwohlsein der modernen Mutter schreibt, sie „möchte nicht überall nur halb sein, sondern ganz“. Und um den Zwiespalt zwischen Familie und beruflichen Verpflichtungen soll es auch hier gehen – wenn auch mit einem etwas anderen Fokus.
In einer Art Rahmenhandlung beginnt es mit einem Sturz, dessen Hintergründe erst am Ende der Geschichte aufgeklärt werden. War es ein Unfall? Absicht? War Paulina beteiligt oder ist Klara ganz alleine gefallen? Was ist direkt davor geschehen? Und wie ist das Verhältnis der beiden Frauen? Die Antworten gibt es erst, nachdem wir die beiden Frauen und ihre jeweiligen Familien ein paar Monate begleitet haben und genügend Chancen hatten, Vermutungen anzustellen und uns über unsere Sympathien klar zu werden.
Paulina zieht bei Klaras Familie als Pflegerin für deren Mutter ein, die nach einem Schlaganfall nicht mehr ohne Hilfe zurechtkommt. Im 14-tägigen Wechsel mit Radek kümmert sie sich um alle Belange der älteren Dame und übernimmt dabei schleichend und stillschweigend immer mehr Pflichten im Haushalt. Die Familie ist begeistert und freut sich über den Glücksgriff, während Paulina hin und her gerissen ist. Ihr Leben teilt sich auf in zwei Hälften, die sich alle zwei Wochen abwechseln: sie ist Mutter zweier Söhne in der slowakischen Heimat oder Pflegerin in Österreich. Beide Situationen beeinflussen sich auf gewisse Weise, doch sie verweben sich nicht zu einem Ganzen, sondern stehen hauptsächlich in Konkurrenz zueinander.
Die Meisterleistung des Buches liegt für mich vor allem in der Atmosphäre. Susanne Gregor schafft es, die Beklemmung und den Druck, der auf Paulina lastet, stetig ansteigen zu lassen, und dies beim Lesen spürbar zu machen. Man fühlt sich ein wenig wie der Frosch im Kochtopf, der erst merkt, dass es zu heiß wird, wenn es zu spät ist. Und wenn es mir beim Lesen schon so geht, wie muss sich dann erst Paulina gefühlt haben, deren Gutmütigkeit und finanzielle Lage von der Familie so schonungslos ausgenutzt wird? Klara und Jakob stellen immer mehr und immer übergriffigere Ansprüche an die Pflegerin, die aufgrund ihrer prekären Verhältnisse kaum eine Chance hat, sich dagegen zu wehren. So geht Machtmissbrauch in gutbürgerlich.
Die Themen Mutterschaft, Klassismus und Ausbeutung werden hier kombiniert zu einer Symphonie, die sich crescendoartig immer weiterschraubt und die Lesenden in ihren Bann zieht. Am Ende bleibt die Ernüchterung, dass zwei halbe Leben eben kein ganzes ergeben. Und eine ganz wunderbare Leseerfahrung. Von mir gibt’s eine klare Empfehlung!
In einer Art Rahmenhandlung beginnt es mit einem Sturz, dessen Hintergründe erst am Ende der Geschichte aufgeklärt werden. War es ein Unfall? Absicht? War Paulina beteiligt oder ist Klara ganz alleine gefallen? Was ist direkt davor geschehen? Und wie ist das Verhältnis der beiden Frauen? Die Antworten gibt es erst, nachdem wir die beiden Frauen und ihre jeweiligen Familien ein paar Monate begleitet haben und genügend Chancen hatten, Vermutungen anzustellen und uns über unsere Sympathien klar zu werden.
Paulina zieht bei Klaras Familie als Pflegerin für deren Mutter ein, die nach einem Schlaganfall nicht mehr ohne Hilfe zurechtkommt. Im 14-tägigen Wechsel mit Radek kümmert sie sich um alle Belange der älteren Dame und übernimmt dabei schleichend und stillschweigend immer mehr Pflichten im Haushalt. Die Familie ist begeistert und freut sich über den Glücksgriff, während Paulina hin und her gerissen ist. Ihr Leben teilt sich auf in zwei Hälften, die sich alle zwei Wochen abwechseln: sie ist Mutter zweier Söhne in der slowakischen Heimat oder Pflegerin in Österreich. Beide Situationen beeinflussen sich auf gewisse Weise, doch sie verweben sich nicht zu einem Ganzen, sondern stehen hauptsächlich in Konkurrenz zueinander.
Die Meisterleistung des Buches liegt für mich vor allem in der Atmosphäre. Susanne Gregor schafft es, die Beklemmung und den Druck, der auf Paulina lastet, stetig ansteigen zu lassen, und dies beim Lesen spürbar zu machen. Man fühlt sich ein wenig wie der Frosch im Kochtopf, der erst merkt, dass es zu heiß wird, wenn es zu spät ist. Und wenn es mir beim Lesen schon so geht, wie muss sich dann erst Paulina gefühlt haben, deren Gutmütigkeit und finanzielle Lage von der Familie so schonungslos ausgenutzt wird? Klara und Jakob stellen immer mehr und immer übergriffigere Ansprüche an die Pflegerin, die aufgrund ihrer prekären Verhältnisse kaum eine Chance hat, sich dagegen zu wehren. So geht Machtmissbrauch in gutbürgerlich.
Die Themen Mutterschaft, Klassismus und Ausbeutung werden hier kombiniert zu einer Symphonie, die sich crescendoartig immer weiterschraubt und die Lesenden in ihren Bann zieht. Am Ende bleibt die Ernüchterung, dass zwei halbe Leben eben kein ganzes ergeben. Und eine ganz wunderbare Leseerfahrung. Von mir gibt’s eine klare Empfehlung!