Großartiger Blick in verschiedene Lebenswelten
Klara ist tot. Abgestürzt beim Wandern. Ihre Begleiterin, Paulína - die Pflegerin von Klaras Mutter - kann dem nichts entgegensetzen.
Rückblickend erfahren wir von der Verbindung der beiden Frauen und wie unterschiedlich sie sich gegenseitig wahrgenommen haben. Klara kann sich durch die Hilfe von Paulína, die sich einfühlsam um ihre Mutter Irene kümmert, wieder ihrer Karriere widmen und sich selbst weiter verwirklichen. Paulína hingegen hat die größten Entbehrungen zu leisten, sind doch ihre beiden Söhne in der Slowakei zurückgeblieben und sie sieht sie nur mehr in ihrem pflegerischen Zwei-Wochen-Rhythmus. Unterschiedlicher könnten ihre Lebenswelten nicht sein, doch die österreichische Familie fühlt Paulína bereits als Familienmitglied, während die Slowakin still und gutmütig leidet.
Susanne Gregor liefert mit "Halbe Leben" einen großartigen Roman, der schmerzhaft bewusst macht, welche Entbehrungen 24-Stunden-Kräfte über sich ergehen lassen müssen. Und wie wir sie, als Arbeitgeber:innen, ausnutzen, ihre Lebenswelt ignorieren, sie nach unseren Ansprüchen formen wollen. Übergriffig, gedankenlos, egoistisch, nur damit unser gewohntes Lebens so weitergehen kann, wie wir es kennen und lieben. Aber eben auch nachvollziehbar. Wichtig dabei ist, dass die Autorin in keinem Moment mit erhobenen Zeigefinger auf die Situationen schaut, sondern sich als hervorragende Beobachterin und Erzählerin beweist.
Gregor schafft es mit ihrer einnehmenden, direkten und fein-analytischen Sprache, dass ein Hineinfühlen in die jeweiligen Charaktere ein Leichtes ist. Man spürt förmlich die Peinlichkeit in der Szene, als Klara Paulína als vermeintlichen Akt der Nächstenliebe ihre alten Kleidungsstücke andrehen will und Paulína so als Mensch zweiter Klasse dastehen lässt. Fühlt Paulínas Unwillen, die hässlichen Ausmusterungen entgegenzunehmen, es dann aber aus nicht ablehnend wollender Höflichkeit doch zu tun. Mit dieser Widersprüchlichkeit sind wir Leser:innen durch den ganzen Roman hindurch konfrontiert. Die nicht bösgemeinte und vermutlich nicht wahrgenommene Überheblichkeit gegenüber Menschen aus anderen Ländern wirkt abstoßend, ist aber wohl jedem und jeder Leser:in der Wohlstandgesellschaft bestens bekannt. Es gibt aber durchaus auch verbindende Elemente, beispielsweise ist die Beziehung von Paulína und ihrem Pflegeschützling Irene guttuend und wohlwollend. Nicht genug allerdings, um die immer mehr werdenden Forderungen von Klara und ihrem Ehemann in irgendeiner Weise erträglich zu machen.
Mein Fazit: "Halbe Leben" ist ein überaus gelungener und feinfühliger Roman, der die Kluft zwischen systemerhaltenden Pflegekräften aus Osteuropa und den Ansprüchen ihrer arbeitgebenden Familien eindringlich aufzeigt. Susanne Gregor holt die Existenz der pflegenden Menschen vor den Vorhang und gibt ihnen ein Sprachrohr, eine von vielen verleugnende Existenz. Dadurch veranschaulicht sie, wie wenig unsere Gesellschaft ohne diese aufopfernden und nicht wahrgenommenen Menschen auskommen würde. Ein absolutes Lesemuss für alle, die sich Gedanken über unser Miteinander machen wollen.
Rückblickend erfahren wir von der Verbindung der beiden Frauen und wie unterschiedlich sie sich gegenseitig wahrgenommen haben. Klara kann sich durch die Hilfe von Paulína, die sich einfühlsam um ihre Mutter Irene kümmert, wieder ihrer Karriere widmen und sich selbst weiter verwirklichen. Paulína hingegen hat die größten Entbehrungen zu leisten, sind doch ihre beiden Söhne in der Slowakei zurückgeblieben und sie sieht sie nur mehr in ihrem pflegerischen Zwei-Wochen-Rhythmus. Unterschiedlicher könnten ihre Lebenswelten nicht sein, doch die österreichische Familie fühlt Paulína bereits als Familienmitglied, während die Slowakin still und gutmütig leidet.
Susanne Gregor liefert mit "Halbe Leben" einen großartigen Roman, der schmerzhaft bewusst macht, welche Entbehrungen 24-Stunden-Kräfte über sich ergehen lassen müssen. Und wie wir sie, als Arbeitgeber:innen, ausnutzen, ihre Lebenswelt ignorieren, sie nach unseren Ansprüchen formen wollen. Übergriffig, gedankenlos, egoistisch, nur damit unser gewohntes Lebens so weitergehen kann, wie wir es kennen und lieben. Aber eben auch nachvollziehbar. Wichtig dabei ist, dass die Autorin in keinem Moment mit erhobenen Zeigefinger auf die Situationen schaut, sondern sich als hervorragende Beobachterin und Erzählerin beweist.
Gregor schafft es mit ihrer einnehmenden, direkten und fein-analytischen Sprache, dass ein Hineinfühlen in die jeweiligen Charaktere ein Leichtes ist. Man spürt förmlich die Peinlichkeit in der Szene, als Klara Paulína als vermeintlichen Akt der Nächstenliebe ihre alten Kleidungsstücke andrehen will und Paulína so als Mensch zweiter Klasse dastehen lässt. Fühlt Paulínas Unwillen, die hässlichen Ausmusterungen entgegenzunehmen, es dann aber aus nicht ablehnend wollender Höflichkeit doch zu tun. Mit dieser Widersprüchlichkeit sind wir Leser:innen durch den ganzen Roman hindurch konfrontiert. Die nicht bösgemeinte und vermutlich nicht wahrgenommene Überheblichkeit gegenüber Menschen aus anderen Ländern wirkt abstoßend, ist aber wohl jedem und jeder Leser:in der Wohlstandgesellschaft bestens bekannt. Es gibt aber durchaus auch verbindende Elemente, beispielsweise ist die Beziehung von Paulína und ihrem Pflegeschützling Irene guttuend und wohlwollend. Nicht genug allerdings, um die immer mehr werdenden Forderungen von Klara und ihrem Ehemann in irgendeiner Weise erträglich zu machen.
Mein Fazit: "Halbe Leben" ist ein überaus gelungener und feinfühliger Roman, der die Kluft zwischen systemerhaltenden Pflegekräften aus Osteuropa und den Ansprüchen ihrer arbeitgebenden Familien eindringlich aufzeigt. Susanne Gregor holt die Existenz der pflegenden Menschen vor den Vorhang und gibt ihnen ein Sprachrohr, eine von vielen verleugnende Existenz. Dadurch veranschaulicht sie, wie wenig unsere Gesellschaft ohne diese aufopfernden und nicht wahrgenommenen Menschen auskommen würde. Ein absolutes Lesemuss für alle, die sich Gedanken über unser Miteinander machen wollen.