Generationenkonflikte

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geli73 Avatar

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Bei Buchpreis-Büchern bin ich eher skeptisch, doch dieser Roman liest sich sehr flüssig und ich war schnell im Geschehen drin.

Als Linn auf einem Vortrag ohnmächtig wird und für einige Tage zurück nach Hause zu ihrer Mutter Annett kommt, spürt man, wie die beiden vorsichtig umeinander herum tänzeln, Annett mag kein falsches Wort sagen, nicht zuviel Sorge verbreiten, dass es ihrer Tochter schlecht gehen könnte, doch wahre Nähe entsteht nicht.


Annett, Bibliothekarin und ihre Tochter Linn waren ein eingespieltes Duo, nachdem Annetts Mann vor etlichen Jahren beim Joggen zusammenbrach und verstarb. Doch Linn ist inzwischen mit dem Studium fertig und lebt in Berlin. Annett versucht an der Nordsee, mit dem Leben klarzukommen. Sie hatte Beziehungen, doch inzwischen lebt sie allein in dem Haus ihrer Großtante, dass sie damals mit ihrem Mann Johan renoviert hat, als Linn noch klein war. Danach drehte sich das Leben immer um Linn und als diese dann eigene Wege geht, ist Annett erschöpft. Sie träumt zwar von einem anderen Leben, vielleicht nochmal einem anderen Job, fragt sich aber, wo mehr Einsamkeit sein würde, in der Veränderung oder im gewohnten.


Dazu kommt ein Generationenthema. Die neuen Nachbarn, Agnes, Levin und Marie leben als WG, und Annett fragt sich, was sie hier, weit entfernt von der nächsten größeren Stadt wohl machen. Die Lebensentwürfe, die Annett sich selbst auferlegt hat und auch für ihre Tochter erträumt, scheinen den jungen Leuten fremd zu sein. Studieren, um etwas aus sich zu machen und Geld zu verdienen, ist weder das Ziel ihrer Tochter noch das ihrer Nachbarn. Denen ist das Klima und Nachhaltigkeit viel wichtiger als einen guten Job mit Aufstiegschancen, dafür aber wenig Freizeit zu haben. Schon als Teenager hat Linn sich mit einer Klimakarte beschäftigt, die zeigen sollte, wnan ihr zuhause durch den steigenden Meeresspiegel überschwemmt werden würde.


Mir hat der Roman "Halbinsel" gut gefallen. Es ist ein ruhig erzähltes Buch, doch konnte ich mich in Annett wiederfinden, die sich führ ihre Tochter wünscht, glücklich zu sein, auch wenn der Begriff Glück für beide etwas anderes bedeutet. Sich Sorgen zu machen, auch wenn das Kind bereits erwachsen und selbständig ist, ist etwas, was Müttern wohl immer anhängen wird. Die Einblicke in Linns Seelenwelt fand ich ebenso gelungen.


Der Umgang mit Themen, die totgeschwiegen werden, aber unbedingt an die Oberfläche drängen, war hier gut beschrieben. Wie gelingt es, zu seinem erwachsenen Kind eine erwachsene Beziehung zu führen, wo doch soviel ungesagt bleibt? Und egal, wie alt man ist, dass man das Leben immer wieder auf den Prüfstand stellen sollte, und Grenzen überschreiten kann, auch wenn man sich ängstigt, um daran zu wachsen, mochte ich ebenso.