Mutter und Tochter
»Wir waren nicht mehr Mutter und Tochter, sondern auf einmal wie Gefährtinnen, die eine nicht jünger als die andere, auf Augenhöhe« (S. 45).
Linn führt ein selbstbestimmtes Leben in Berlin. Direkt nach dem Abitur verlässt die junge Frau das familiäre Nest und zieht nach Schweden, um dort in Schwedisch Lappland beim Aufforsten zu helfen. Anschließend reist sie nach Rumänien und arbeitet dort im Waldbau. Sie geht zurück nach Deutschland und studiert. Erst in Freiburg, dann nach Edinburgh. Nach einem erfolgreich abgeschlossenem Bachelor geht Linn zurück nach Schweden und macht in Lund ihren Master. Inzwischen ist Linn Mitte 20 und arbeitet seit einem halben Jahr für eine Beratungsfirma, die sich mit der Förderung und Finanzierung von Umweltprojekten befasst. Während einer Tagung für diese Firma erleidet Linn einen Schwächeanfall. Sie kommt aufgrund des Bewusstseinsverlusts in ein Krankenhaus und erholt sich anschließend für einige Zeit bei ihrer Mutter Annett. Anett ist Ende 40 und arbeitet als Bibliothekarin. Sie wohnt alleine in dem Haus, in dem Linn aufgewachsen ist. Aufgezogen wurde Linn alleine von ihrer Mutter, da ihr Vater Johan starb, als Linn noch ein Kind ist. Auch heute noch ist der Verlust von Ehemann Johan ein harter Schicksalsschlag für Annett.
Die Wohnsituation ist für Mutter und Tochter ungewohnt. Während Linn immer ein Plan im Leben hatte, fühlt sie sich jetzt perspektivlos und fällt in ein Loch. Ein Loch in dem sich Mutter Annett wohl schon seit Jahren befindet. Ihre Erzählungen wirken, als ob sie in einer dauerhaften Warteschleife festsitzt. Annetts Leben zieht an ihr vorbei, während sie sich nur zu gerne im Schlafzimmer versteckt – die Vorhänge zuzieht und sich auf ihr Bett legt. Allein in Annetts Gedanken passiert das Leben und hält viel bereit, doch es scheint, als bleibt es bei diesen Gedanken.
»Ich schämte mich, im Bett zu liegen, hinter zugezogenen Vorhängen an einem hellen, sonnigen Tag« (S.46).
Stellenanzeigen als Bibliothekarin in New York verfolgt sie nur, um in farbenfrohe Luftschlösser abtauchen zu können. Für Annett scheint sie Zeit stehen geblieben zu sein, immer wieder spricht sie mit Johan in Gedanken. Erkennt, dass sie sich selbst antwortet, will sich vor sich selbst rechtfertigen.
Linn hat ihren Arbeitgeber während ihrem Vortrag auf der Tagung a den Pranger gestellt, da sie herausgefunden hat, dass dort Greenwashing im großen Stil betrieben wird. Daraufhin kündigt Linn, in ihrer Position als vermeintliche Nestbeschmutzerin. Ihre Werte und Interessen lassen sich nicht mit wirtschaftlichen Zielen vereinbaren.
Doch von all dem ahnt Annett zu Beginn des Buches noch nichts. Stück für Stück nähern sich Mutter und Tochter in »Halbinsel« an.
Das Buch ist aus Sicht von Mutter Annett geschrieben und doch fühle ich mich beiden Frauen äußerst nah. Linn aufgrund ihrer Werte und ihrer Freiheitsliebe und Annett begeistert mich mit ihren Erzählungen über Mutterschaft. Kristine Bilkau erzählt mit einer enormen Feinfühligkeit und geht sehr behutsam mit ihren Figuren um. »Halbinsel« ist ein warmer und sanfter Roman. Tagesaktuelle Themen werden mit äußerster Genauigkeit seziert und literarisch einzigartig aufbereitet.
Kristine Bilkau hat mit »Halbinsel« einen starken Generationenroman geschrieben, der ganz ohne Kapitel auskommt. Klare Leseempfehlung für die besondere Erzählkunst, die die Autorin uns schenkt.
Linn führt ein selbstbestimmtes Leben in Berlin. Direkt nach dem Abitur verlässt die junge Frau das familiäre Nest und zieht nach Schweden, um dort in Schwedisch Lappland beim Aufforsten zu helfen. Anschließend reist sie nach Rumänien und arbeitet dort im Waldbau. Sie geht zurück nach Deutschland und studiert. Erst in Freiburg, dann nach Edinburgh. Nach einem erfolgreich abgeschlossenem Bachelor geht Linn zurück nach Schweden und macht in Lund ihren Master. Inzwischen ist Linn Mitte 20 und arbeitet seit einem halben Jahr für eine Beratungsfirma, die sich mit der Förderung und Finanzierung von Umweltprojekten befasst. Während einer Tagung für diese Firma erleidet Linn einen Schwächeanfall. Sie kommt aufgrund des Bewusstseinsverlusts in ein Krankenhaus und erholt sich anschließend für einige Zeit bei ihrer Mutter Annett. Anett ist Ende 40 und arbeitet als Bibliothekarin. Sie wohnt alleine in dem Haus, in dem Linn aufgewachsen ist. Aufgezogen wurde Linn alleine von ihrer Mutter, da ihr Vater Johan starb, als Linn noch ein Kind ist. Auch heute noch ist der Verlust von Ehemann Johan ein harter Schicksalsschlag für Annett.
Die Wohnsituation ist für Mutter und Tochter ungewohnt. Während Linn immer ein Plan im Leben hatte, fühlt sie sich jetzt perspektivlos und fällt in ein Loch. Ein Loch in dem sich Mutter Annett wohl schon seit Jahren befindet. Ihre Erzählungen wirken, als ob sie in einer dauerhaften Warteschleife festsitzt. Annetts Leben zieht an ihr vorbei, während sie sich nur zu gerne im Schlafzimmer versteckt – die Vorhänge zuzieht und sich auf ihr Bett legt. Allein in Annetts Gedanken passiert das Leben und hält viel bereit, doch es scheint, als bleibt es bei diesen Gedanken.
»Ich schämte mich, im Bett zu liegen, hinter zugezogenen Vorhängen an einem hellen, sonnigen Tag« (S.46).
Stellenanzeigen als Bibliothekarin in New York verfolgt sie nur, um in farbenfrohe Luftschlösser abtauchen zu können. Für Annett scheint sie Zeit stehen geblieben zu sein, immer wieder spricht sie mit Johan in Gedanken. Erkennt, dass sie sich selbst antwortet, will sich vor sich selbst rechtfertigen.
Linn hat ihren Arbeitgeber während ihrem Vortrag auf der Tagung a den Pranger gestellt, da sie herausgefunden hat, dass dort Greenwashing im großen Stil betrieben wird. Daraufhin kündigt Linn, in ihrer Position als vermeintliche Nestbeschmutzerin. Ihre Werte und Interessen lassen sich nicht mit wirtschaftlichen Zielen vereinbaren.
Doch von all dem ahnt Annett zu Beginn des Buches noch nichts. Stück für Stück nähern sich Mutter und Tochter in »Halbinsel« an.
Das Buch ist aus Sicht von Mutter Annett geschrieben und doch fühle ich mich beiden Frauen äußerst nah. Linn aufgrund ihrer Werte und ihrer Freiheitsliebe und Annett begeistert mich mit ihren Erzählungen über Mutterschaft. Kristine Bilkau erzählt mit einer enormen Feinfühligkeit und geht sehr behutsam mit ihren Figuren um. »Halbinsel« ist ein warmer und sanfter Roman. Tagesaktuelle Themen werden mit äußerster Genauigkeit seziert und literarisch einzigartig aufbereitet.
Kristine Bilkau hat mit »Halbinsel« einen starken Generationenroman geschrieben, der ganz ohne Kapitel auskommt. Klare Leseempfehlung für die besondere Erzählkunst, die die Autorin uns schenkt.